#Adventskalender-Minutengeschichte2023 18. Dezember: Eine Giftnudel beim Abendsessen?

Norma sah, wie ihre Mutter in ihrem Rezeptbuch blätterte und Zettel zwischen einzelne Seiten legte.

„Was machst du da?“, wollte sie wissen.

„Ich sehe mir verschiedene Rezepte an, die ich an Heiligabend kochen könnte.“

Norma sah ihrer Mutter dabei zu, wie diese durch das Buch blätterte und es schloss, als sie am Ende angekommen war.

„Du, Mama? Kommt Oma?“

„Ja“, antwortete ihre Mutter, verwundert über diese komische Frage.

„Und Opa?“

Warum wollte Norma das wissen?

„Der natürlich auch. Weihnachten kommen alle zusammen. An Heiligabend findet unsere Familienfeier statt.“

„Kommt Giftnudel Herta mit ihrem Schlaffi auch?“

„Norma, so was sagt man nicht! Wo hast du das her?“, sagte ihre Mutter entsetzt.

„Oma hat das zu Papa gesagt. Wenn die Giftnudel mit ihrem Schlaffi kommt, feiert sie woanders“, meinte das Mädchen, stolz darauf, wiedergeben zu können, was sie gehört hatte.

„Das hast du bestimmt falsch verstanden.“

„Ich habe daneben gestanden. Papa hat versprochen, Hertha und ihren Schlaffi da zu lassen, wo sie hingehören.“

„Und wo ist das?“

„Hat Papa nicht gesagt.“

Ihre Schwiegermutter lag nicht falsch mit den Bezeichnungen. Ihre Schwester hatte an alles und jedem etwas auszusetzen und Richard war der größte Langweiler, den es geben konnte. Selbst die Stille war interessanter als ein Gespräch mit ihrem Schwager. Dennoch gehörte es sich nicht, in Normas Gegenwart so von den beiden zu sprechen. Wenn ihre Tochter das in Gegenwart von Hertha und Richard gesagt hätte, wäre die Hölle losgewesen. Ihr Schwager hätte das sehr wahrscheinlich lustig gefunden, aber Hertha?

Von ihrer Schwester hätte sie sich anhören müssen, dass ihre Tochter ein verzogenes Gör ohne Erziehung sei, aber bei der Mutter wäre das auch kein Wunder. Dabei war Hertha in ihrer Kindheit immer diejenige gewesen, die Ärger gemacht hatte.

„Ich will, dass Oma und Opa kommen, die haben immer tolle Geschenke für mich. Tante Hertha bringt mir immer Schokolade mit, die ich nicht mag.“

„Die Giftnudel und der Schlaffi müssen dieses Jahr Zuhause bleiben“, versprach Normas Mutter und erstarrte. Jetzt hatte sie das tatsächlich auch gesagt. Hoffentlich hatte ihre Tochter das nicht mitbekommen.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 17. Dezember: Mandeln sind Mandeln

„Kann ich dir noch etwas vom Supermarkt mitbringen?“, fragte Arno seine Frau.

„Zwei Tüten mit Mandeln.“

Er notierte Isoldes Wunsch auf seiner digitalen Einkaufsliste, als er eine Nachricht seines Tennispartners vorfand und diese zu lesen begann.

„Morgen will ich gebrannte Mandeln machen“, hörte er nicht mehr.

Im Supermarkt arbeitete Arno seine Einkaufsliste ab. Dabei fielen ihm immer wieder ältere Herren auf, die ratlos vor einem Regal oder einer Auslage standen und nicht zu wissen schienen, was sie mitnehmen sollten. Manche griffen zum Handy und riefen zuhause an, um zu fragen, welches Produkt von fünf verschiedenen Anbietern sie kaufen sollten. Wieder andere liefen mit einer leeren Verpackung herum und verglichen die Produkte. Was machten die nur, wenn sich das Aussehen geändert hatte? Kauften sie dann nichts oder riefen sie verzweifelt zu Hause an, weil sie nicht fanden, was sie mitbringen sollten?

Frauen konnten unerbittlich sein, wenn man nicht kaufte, was sie haben wollten. Mit Isolde hatte er Glück. Seine Frau motzte nicht, sondern rang nur verzweifelt die Hände und fuhr dann selbst los, wenn sie es nicht an eines ihrer Kinder delegieren konnte.

Endlich hatte er den Gang mit den Backzutaten gefunden. Marzipanrohmasse, Kokosflocken, Haselnüsse und hier, endlich, die Mandeln.

Arnos Freude, gefunden zu haben, was er suchte, war nicht von langer Dauer, als er sah, wie viele verschiedene Varianten Mandeln es gab: Mandelkerne, Mandelstifte, Mandelplättchen und gemahlene Mandeln. Abgezogene Mandeln konnte man auch kaufen, allerdings hatten die Tüten nur die Hälfte des Gewichts der anderen Produkte, kosteten aber gleich. Die würde er schon mal nicht kaufen.

Was nahm er jetzt?

Arno nahm eine Packung Stifte und eine Tüte mit Plättchen aus dem Regal und sah sie sich ratlos an.

Was war jetzt die richtige Sorte, die er mitbringen sollte?

Neben ihn stellte sich jemand und nahm eine Packung Haselnüsse und verglich sie mit der leeren Packung, die er dabei hatte. Offensichtlich war er danach genau so schlau wie zuvor, denn er kramte sein Handy hervor und rief zuhause an.

„Sag mal, Schatz, waren das ganze Haselnüsse, die du wolltest? Gemahlene? Ach so, aber ich weiß nicht, ob das die richtigen sind. Die Tüten haben alle eine ganz andere Farbe.“

Arno hielt sich die Hand vor den Mund, damit der ältere Herr nicht sah, wie er sich auf die Lippen biss, um nicht loszulachen.

Der Text der Haselnusstüte hatte sich bestimmt nicht verändert, auch wenn die Farbe nun nicht mehr türkis, sondern grün war. Manche konnte man nicht einmal mit einer leeren Verpackung losschicken, damit sie auch mitbrachten, was sie kaufen sollten.

„Ja, warte, ich schicke dir ein Bild, dann kannst du überprüfen, ob das die richtigen sind.“

Ein Foto auch noch? Da hieß es immer, die ältere Generation hätte von Technik keine Ahnung. Was hatte man früher gemacht, als es noch keine Handys gegeben hatte? War man zur nächsten Telefonzelle gerannt? Nee, im Tante-Emma-Laden hatte die Verkäuferin gewusst, was man mitbringen sollte.

Wenn er Isolde davon erzählte, was er gerade erlebte, würde sie sich schlapplachen.

„Das sind die richtigen, sagst du? Gut, kaufe ich.“

Der ältere Herr nahm drei Packungen der gemahlenen Haselnüsse und warf sie in seinen Einkaufswagen.

Tja, der wusste, was er kaufen sollte, er hingegen stand immer noch vor einem unlösbaren Rätsel.

Ob er vielleicht Isolde anrufen sollte, damit er nicht das Falsche mitbrachte? Nein, besser nicht, sonst würde ihm vorgeworfen, er hätte nicht richtig zugehört. Hatte er auch nicht, aber das würde er nie zugeben.

Was nahm er jetzt? Arno sah auf seine Uhr. Fast eine Stunde war er am Einkaufen. Das war eine halbe Stunde zu viel.

Wahrscheinlich wollte Isolde backen, dachte er und nahm zwei Tüten.

„Hast du alles bekommen?“

„Ja“, sagte Arno und legte die beiden Packungen auf die Küchenarbeitsplatte.

„Was ist das?“, wollte seine Frau wissen, nachdem sie die beiden Tüten betrachtet hatte.

„Das Gewünschte – deine Mandeln.“

„Das sind gemahlene Mandeln.“

„Na und?“

„Wie soll ich damit gebrannte Mandeln machen? Dafür braucht man Mandelkerne.“ Isolde seufzte. „Das nächste Mal gebe ich dir eine leere Verpackung mit, damit du auch das richtige kaufst.“

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 16. Dezember: Eine strohige Bürde

Au! Wo war er da wieder reingetreten? Mirko hob seinen Fuß an und fand einen Strohhalm, der in seiner Socke steckte und ihn gestochen hatte.

Das war bereits das siebte oder achte Mal, dass ihm so was in den letzten Tagen passiert war. Er hätte nie zulassen dürfen, dass Valentina sich diesen Adventskalender kaufte. Wenn hinter jedem Türchen ein fertiger Strohstern zu finden gewesen wäre, wäre alles kein Problem. Allerdings musste man diese Sterne und Figuren selbst basteln. Seine Freundin war zwar mit vielen Talenten gesegnet, aber Basteln gehörte definitiv nicht dazu. Leider hatte sie es noch nicht gemerkt.

Bisher hatte er noch keine einzige Figur gesehen, die der tagesaktuellen Anleitung aus dem Adventskalender entsprochen hatte. Falls nicht alles auseinander fiel und sich das Stroh über den Fußboden ergoss, fehlte ein Halm, war alles krumm und schief oder hatte Ähnlichkeit mit moderner Kunst.

Nicht einmal den Strohstern, der sehr leicht zu basteln war, hatte Valentina hinbekommen. Krumm und schief war alles gewesen und ein Halm hatte gefehlt. Den hatte er sich am nächsten Morgen in die Ferse getreten. Danach war er hellwach gewesen.

Er hatte den Strohstern schließlich gebastelt. War nicht schwer gewesen und am Ende hatte der Stern auch so ausgesehen wie auf der Anleitung. Valentina war beleidigt gewesen und hatte sich mit der Ausrede verteidigt, die Bild-für-Bild-Anleitung sei zu kompliziert. Weshalb er die nachfolgenden Strohfiguren wieder seiner Freundin überlassen hatte, weil es ihr Adventskalender war und nicht seiner. Deshalb trat er regelmäßig auf Stroh.

Glücklicherweise verletzte er sich nicht, auch wenn es im ersten Moment sehr weh tat.

Wenn man kein Talent hatte, sollte man nicht versuchen, Strohsterne und -figuren zu basteln. Aber er würde sich hüten, es Valentina unter die Nase zu reiben. Stattdessen würde er weiterhin ihre eigenwilligen Kreationen bewundern und auf Stroh treten. An Weihnachten war der Spuk endlich vorbei und er konnte wieder schmerzfrei durch die Wohnung laufen. Nachdem er alle Räume durchgefegt und auch noch gesaugt hatte, damit er garantiert keinen einzigen Strohhalm übersah.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 15. Dezember: Die richtige Tanne muss es sein

Harald war seit einer halben Stunde damit beschäftigt, den perfekten Weihnachtsbaum zu finden. Inzwischen hatte er fast jede Tanne in der Hand gehabt und war dennoch nicht dem perfekten Baum begegnet, den er unbedingt nach Hause nehmen wollte und im Wohnzimmer aufstellen würde.

Es durfte nicht ein x-beliebiger Baum sein, den man aus Verlegenheit kaufte, weil man sein Traumexemplar nicht gefunden hatte.

Sein Tannenbaum der Träume durfte nicht zu klein und nicht zu dünn sein. Zu ausladend durfte er hingegen auch nicht sein, denn man wollte im Wohnzimmer noch fernsehen, ohne dass ein Ast ins Bild hing.

Der Stamm wiederum nicht zu dünn, damit das Drahtseil des Baumständers ihn fest umfassen konnte. Doch was nützte ein solide gewachsener Stamm, wenn dieser zu dick war und gar nicht erst in den Baumständer passte und man erst einmal zwei Stunden damit zubringen musste, einige Scheiben abzusägen. Weil das Holz Feuchtigkeit gesogen hatte, dauerte alles doppelt so lang und war natürlich vierfach so anstrengend.

Aber nicht nur der Stammumfang war wichtig, denn es durften sich auch keine allzu tief sitzenden Äste am Stamm befinden. Diese mussten alle abgesägt werden, damit der Baum auch fest im Ständer stand. Bei diesen tiefsitzenden Ästen handelte es sich meist um die Exemplare, die dem Baum sein volles Aussehen gaben. Musste man sie entfernen, sah die Tanne aus wie ein gerupftes Huhn und man ärgerte sich, viel Geld für nichts ausgegeben zu haben. Man konnte versuchen, die abgesägten Zweige irgendwie mit in den Christbaumständer zu stecken. Allerdings gelang es in den meisten Fällen nicht.

Abgebrochene Äste waren auch ein Ärgernis, denn an dieser Stelle hatte der Baum dann ein Loch. Zwar konnte man die verunstaltete Seite an die Wand stellen, dass es nicht weiter auffiel, aber einem selbst war dieser Makel bekannt und deshalb konnte der Tannenbaum noch so schön aussehen, man sah nur diese kahle Stelle. Wenn man Pech hatte, gab es an einer Seite nur einen kurzen Ast, sodass man gar nicht wusste, wie man den Baum platzieren sollte, damit es nicht auffiel.

Besonders wichtig war darauf zu achten, dass niemand die Spitzen des Christbaums abgeschnitten hatte. Wie sollte man die künstlichen Kerzen befestigen, wenn die Astspitzen entfernt worden waren? Die beiden äußeren mochten noch erhalten sein, aber die wichtige in der Mitte fehlte. So konnte man die künstliche Kerzen nur noch an einem dünnen Zweiglein befestigen, dass dieser sich durch das Gewicht durchbog und die Kerze schief hing.

Wenn jemand die mittleren Zweige abgeschnitten hatte, war der Baum harzig, klebte und man ruinierte sich beim Transport die Kleidung und später den Christbaumschmuck.

Natürlich roch das ausgetretene Harz gut, besser, als wenn man einen muffigen Baum erwischte, den man erst einmal mit Raumspray einnebeln musste.

Früh nadeln durfte er natürlich auch nicht oder bereits am dritten Tag so trocken sein, dass er wie ein harter Besen wirkte.

Harald stellte den letzten Baum zurück. Hatte er jetzt alle durch? Vielleicht fing er noch einmal von vorne an. Möglicherweise waren ein paar neue Exemplare dazugekommen, von denen einer seinen Wünschen entsprach.

„Kann ich dem Herrn helfen?“, wurde er von dem Weihnachtsbaumverkäufer angesprochen.

„Ich suche einen Tannenbaum“, sagte Harald und kam sich lächerlich vor. Was sollte er sonst suchen? Eine Giraffe in einem Baumkostüm?

„Was suchen sie denn für ein Exemplar?“

Der Mann gefiel Harald. Kam gleich zur Sache.

Er erzählte dem Weihnachtsbaumverkäufer von seinem Wunschbaum. Dieser nickte, verschwand für ein paar Minuten und kam schließlich mit einem zwei Meter Exemplar zurück.

„Das ist der richtige Baum für Sie. Nadelt nicht, braucht kein Wasser, steht fest und man kann überall Lichter und Baumschmuck befestigen. Dazu ist er platzsparend und das Beste –  er duftet nach wunderbar nach Spekulatius.“

„Den nehme ich“, sagte Harald erfreut.

Kopfschüttelnd sah der Weihnachtsbaumverkäufer seinem Kunden hinterher und konnte nicht fassen, dass dieser sich für einen Plastikweihnachtsbaum entschieden hatte. Das war nicht der erste wählerische Kunde, den er in den letzten Jahrzehnten gehabt hatte. Vor fünf Jahren hatte er eine ganze Ladung mit scheußlichen Plastiktannenbäumen ersteigert, um sie solchen Kunden anzubieten. Seltsamerweise waren die immer restlos begeistert und dankten ihm noch im Jahr darauf für diesen tollen Christbaum. Über seine Türschwelle würde so ein Plastikteil nie kommen.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 14. Dezember: Vier Wochen Warten

Was stand da? Vier Wochen? Hatte sie richtg gelesen? Tatsächlich, da stand vier Wochen. Das musste sich um einen Druckfehler handeln. Man konnte einen Teig nicht vier Wochen ruhen lassen, bevor man ihn weiter verarbeitete. Das machte man vielleicht mit selbstgemachten Senf, aber doch nicht mit Lebkuchenteig.

Mal sehen, was im Internet bei den Lebkuchenrezepten stand.

Na also, ein paar Stunden und dann konnte sie mit dem Backen beginnen. Sie hatte es gewusst.

Aber… Moment mal, da stand auch was von vier Wochen, um einen besonders feinen Geschmack zu bekommen.

Wer war so verrückt und stellte vier Wochen seinen Teig irgendwo hin, damit dieser ruhen konnte? Entweder hatten sich dort Tiere eingenistet, jemand warf den Teig weg, weil er ihn für eine undefinierbare Masse hielt oder ein Langfinger machte sich dran zu schaffen, dass am Ende eine leere Schüssel zurückblieb. Bei einer Geh- oder Ruhezeit von sechzig Minuten musste sie schon aufpassen, dass niemand vom Teig probieren wollte, da waren vier Wochen absolut nicht machbar.

Was stand da? Vier Wochen? Hatte sie richtig gelesen? Tatsächlich, da stand vier Wochen. Das musste sich um einen Druckfehler handeln. Man konnte einen Teig nicht vier Wochen ruhen lassen, bevor man ihn weiter verarbeitete. Das machte man vielleicht mit selbstgemachten Senf, aber doch nicht mit Lebkuchenteig.

Mal sehen, was im Internet bei den Lebkuchenrezepten stand.

Na also, ein paar Stunden und dann konnte sie mit dem Backen beginnen. Sie hatte es gewusst.

Aber… Moment mal, da stand auch was von vier Wochen, um einen besonders feinen Geschmack zu bekommen.

Wer war so verrückt und stellte vier Wochen seinen Teig irgendwo hin, damit dieser ruhen konnte? Entweder hatten sich dort Tiere eingenistet, jemand warf den Teig weg, weil er ihn für eine undefinierbare Masse hielt oder ein Langfinger machte sich dran zu schaffen, dass am Ende eine leere Schüssel zurückblieb. Bei einer Geh- oder Ruhezeit von sechzig Minuten musste sie schon aufpassen, dass niemand vom Teig probieren wollte, da waren vier Wochen absolut nicht machbar.

Im Mittelalter war Lebkuchenbäcker ein richtiger Beruf gewesen. Die hatte es nicht nur in Nürnberg gegeben, sondern in jeder größeren Stadt, deren Bewohner es sich leisten konnten.

Und damals wie heute konnte man das ganze Jahr Lebkuchen kaufen und essen. Natürlich nicht im Supermarkt, da kam das Herbstgebäck erst Ende August, aber traditionell blieb es Weihnachtsgebäck. Und sie würde den Teig einen Tag ruhen lassen. Die Schüssel würde sie in der hintersten Ecke des Kellers verstecken, wo niemand hinkam, außer die Wasseruhr musste abgelesen werden.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 13. Dezember: Drehplan Krippenspiel

Andrea entdeckte in einer Zeitschrift, die sie eigentlich nicht las, einen Aufruf, dass man das Krippenspiel verfilmen sollte. Der beste Beitrag würde im nächsten Jahr in einer Vorabendsendung der Öffentlich-rechtlichen gesendet und danach auf allen Social Media-Kanälen verbreitet werden.

Mit ihrem Instagram-Account lief es immer schlechter und TikTok hatte sie immer noch nicht durchschaut.

Der Gewinn des Video-Drehs würde ihr sicherlich die nötige Aufmerksamkeit schenken, die sie brauchte, damit sich ihre Reichweite wieder erholte.

Ein paar Tage später hatte sie ihren Freundeskreis mobilisiert. Als Studenten hatten sie ab und zu ein paar Kurzfilme gedreht, die sie allerdings nie auf YouTube hochgeladen hatten, weil sie ihnen peinlich gewesen waren.

Jetzt würde ihr Film entweder gewinnen – hoffte Andrea – oder nie an die Öffentlichkeit kommen.

Mit den richtigen Kostümen und passender Schminke würde man sie ohnehin nicht wieder erkennen.

An ihrem Drehtag begutachtete Andrea die Kostüme und die geschminkten Gesichter. Ihr gefiel, was sie sah.

„Könnt ihr alle eure Rolle? Ina und Ralf spielen Maria und Josef und…“

„Warum machen wir das nicht? Wir könnten doch genauso gut die Eltern spielen“, wollte Andreas Freund Philipp wissen.

„Wenn ich Regie führe, kann ich nicht auch noch die Hauptrolle spielen. Du weißt, wie das beim letzten Mal geendet ist.“

Ina verzog das Gesicht und drehte sich zur Seite, damit ihre Freundin nicht sehen konnte, wie sie mit einem Lachanfall zu kämpfen hatte. Damals war die Polizei ihr kleinstes Problem gewesen.

Bei der Erinnerung an diesen Kurzfilm konnte Philipp nachvollziehen, warum Andrea sich weigerte, die Hauptrolle zu spielen. Nur wie schafften die realen Schauspieler diese Doppelfunktion, ohne für Chaos zu sorgen?

„Soll die Plüsch-Möhre wirklich Jesus spielen?“, fragte Olivia.

„Das ist eine Karotte. Ich muss meine alte Puppe noch einmal abstauben, bevor ich sie in die Obstkiste legen kann.“

„Obstkiste und dieses Plüsch-Gemüse passt doch perfekt. Ich hätte da noch einen Knoblauch und einen Blumenkohl als Stofftier anzubieten.“

„Stoffgemüse“, verbesserte Ina und bis auf Andrea fingen alle zu lachen an.

„Wenn ihr so weitermacht, bleibt die Karotte drin und die Lacher der Zuschauer werden eure sein.“

„Wenn wir die schaltragende Möhre ordentlich mit Stroh einpacken, wird das niemand sehen. Du kannst ihr dann mit echten Möhren huldigen.

„Das ist Myrrhe, keine Möhre.“

„Wen spielst du eigentlich?“, wollte Olivia wissen. „Kaspar, Melchior oder Balthasar?“

„Völlig egal, die kann sowieso niemand auseinanderhalten.“

„Die Heiligen drei Könige haben auch Text, da müssen wir wissen, wer wen spielt.“

„Es gibt keinen Text, wenn ich dich daran erinnern darf.“

„Wieso? Führen wir eine Phantomine auf?“

„Pantomine, Ina. Nein, machen wir nicht.“

Olivia entdeckte die Kamera im Hintergrund. Das eingebaute Mikro war durch kein externes Mikrofon verstärkt worden.

„Wir drehen einen Stummfilm“, stellte sie fest.

„Genau, das müsste dir gefallen, weil du so ein großer Fan des Moschusochsen bist.“

„Deshalb müssen wir noch lange keinen Stummfilm drehen. Damit werden wir nie den Wettbewerb gewinnen.“

„Hast du eine Ahnung.“

„Wenn wir das gut machen, ist uns der Sieg sicher“, meinte Ralf zuversichtlich.

„Stummfilme sind total out“, fiel Philipp ihm ins Wort.

„Am besten lassen wir die Möhre…“

„Karotte“, verbesserte Andrea.

„Karotte“, seufzte Olivia. „Wir lassen die Karotte drin und machen eine Slapstickkomödie à la Charlie Chaplin daraus.“

„Ohne Torte“, sagte Ralf schnell. „Ich mag keine Sahne.“

„Genug geschwafelt, wir fangen an. Jeder auf seine Position.“

„Was für eine Position?“, fragte Philipp ratlos und suchte den Boden nach einer Markierung ab.

„Ina und Ralf an die Krippe, um ihr Kind zu bewundern. Danach kommen wir und überbringen die wertvollen Gaben.“

„Warum müssen wir diese abscheulichen Bettlaken tragen?“, wollte Ralf wissen und zupfte an seinem lila Umhang herum, der ihm nicht gefiel.

„Das sind Vorhänge, die gab es billig im Möbelladen.“

„So sehen sie aus“, grummelte Ralf.

„Genug gequatscht. Wir spielen!“

Die Kamera lief und zeichnete Szene für Szene auf. Man stolperte über die Vorhänge, musste diese immer wieder hochziehen, weil sie von den Schultern rutschten, während man versuchte, dem Jesuskind, dargestellt von einer Plüschmöhre, zu huldigen.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 12. Dezember: Mit dem Rüssel bemalt

Astrid hatte Geschirr und Ostereier bemalt, Rupa am liebsten sich selbst und Hilde ein paar Leinwände. Nun sollte sie Kugeln bemalen. Nie hätte sie damit gerechnet, auch einmal einen Pinsel schwingen zu dürfen.

Winzig waren diese Kügelchen, die man ihr hinhielt. Da würde ein einziger Pinselstrich genügen und sie wären angemalt.

Jetzt hatte sie den Pinsel bekommen. Und wo waren die Farben?

Da waren drei Becher auf einer Halterung.

Was stand da? Rot, Silber und Gold.

Woher wussten ihre Betreuer, dass sie lesen konnte? Oder nahm von denen jemand die Farben auch nicht so wahr, wie fast alle Zweibeiner? Für sie waren die Farben auch anders, weshalb sie ganz froh darüber war, dass dort stand, um welchen Farbton es sich handelte. Sonst malte sie nachher alles in Rot an, obwohl sie eigentlich hatte Silber nehmen wollen.

„Blamier uns nicht!“, rief Nelly ihr zu.

Die war nur neidisch, dass man sie wieder nicht genommen hatte.

„Wenn ich das kann, wird Else das auch hinkriegen“, meinte Astrid.

Das war ein Trost. Mit der verrückten Nuss wollte sie nicht auf einer Stufe stehen. Sie war vielleicht schwierig, aber ganz bestimmt nicht verrückt.

Jetzt ein bisschen Rot und ein paar schöne Punkte und Streifen auf der Kugel verteilen, dann ein wenig Silber und wieder Rot. Schon war die nächste Kugel dran, die sie mit Goldstreifen und ein paar roten Punkten versah. Punkte waren das nicht direkt, aber es sah schön aus. Die dritte Kugel malte sie fast ausschließlich Silber an und verpasste ihr dann ein paar goldene Punkte und rote Streifen.

So langsam fand sie Spaß dran, Weihnachtskugeln zu bemalen.

Jetzt wurden noch Fotos von ihr gemacht. Saß die Weihnachtsmütze richtig, die man ihr auf den Kopf gesetzt hatte?

Hoffentlich würde Hilde nicht allzu neidisch sein, dass man sie nicht für diese Aktion genommen hatte. Sie konnte nichts dafür, dass man die alte Kuh nicht ausgewählt hatte, also sollte diese sie mit Fußtritten zufrieden lassen.

„Bilde dir nichts drauf ein“, hörte sie nun Hilde sagen. „Der Star bin immer noch ich.“

„Weiß ich doch. Du kannst auch viel schöner malen als ich.“

„Aber nicht so winzige Kugeln. Ich brauche was Großes, um mich entfalten zu können.“

Och menno, jetzt waren die Farbbecher leer und Weihnachtskugeln gab es auch keine mehr. Wo es doch gerade so viel Spaß gemacht hatte und dann war Schluss.

Hatte sie all die Kugeln bemalt, die auf zwei Stangen hingen und neben sie gestellt wurden? Noch ein schönes Foto mit ihr.

Nun kam Hilde, der man ebenfalls eine Weihnachtsmütze auf den Kopf gesetzt hatte. Ein wenig schief, aber das schien die alte Kuh wenig zu stören, Hauptsache, sie durfte mit aufs Foto.

Hilde bekam noch ein Schild in den Rüssel gedrückt, dass sie gekonnt in die Kamera hielt.

„Du hast gewusst, dass du mit aufs Bild kommst“, stellte Else fest.

„Du weißt doch, ohne mich läuft nichts. Auch nicht in der Weihnachtszeit.“

Neidisch hatte der Stoßzahnpieker beobachtet, was Else gemacht hatte.

„Nächstes Jahr werde ich Kugeln bemalen“, sagte Darjeeling und hatte sich einen Zweig in den Rüssel gesteckt mit dem er so tat, als würde er etwas bemalen.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 11. Dezember: Ja oder nein? Jein!

Jetzt hing ihm schon wieder eine Tannennadel im Pullover, dabei hatten sie noch überhaupt keinen gekauft. Wenn es nach ihm ginge, würde es keinen geben.

Stefan warf die Tannennadel in den Mülleimer. Ob die vom letzten oder vorletzten Baum stammte? Das Zeug wurden sie nicht los. Sie konnten eine Decke unter den Baumständer legen und nach dem abwracken so viel fegen wie sie wollten. Irgendeine Tannennadel übersahen sie immer.

„Hast du gesehen, dass es übermorgen wieder Christbäume zu kaufen gibt?“, sagte Katja wenig später beim Abendessen.

„Na und? Wir brauchen keinen!“

„Wieso denn? Du wolltest immer einen Baum.“

„Schon seit Jahren nicht.“

„Wir hatten immer einen Baum.“

„Den dann niemand haben wollte. Erst wird er in letzter Sekunde aufgestellt und dann steht er als Baummumie bis März hier rum und nadelt wie verrückt, weil niemand den Baumschmuck abmachen will.“

Unfreiwillig musste Katja zustimmen, dass Stefan recht hatte. Der Baum stand ewig herum, dass er immer hässlicher wurde. Wann sollte sie ihn abschmücken? Wenn sie abends von der Arbeit kam, hatte sie weder Zeit noch Nerven, um den Christbaumschmuck zurück in seine Aufbewahrungskisten zu packen. Natürlich hätte auch Stefan diese Aufgabe übernehmen können, doch ihn ließ sie nicht an die Christbaumdeko, weil sie seine Ungeduld kannte. Wenn sich das Band einer Kugel in den Nadeln eines Astes verfing, würde er daran einfach so lange zerren bis der Faden zerriss. Es mochte als Alternative Drahtanhänger geben, aber bei diesen fürchtete sie, sie würden vom Zweig fallen und die Kugeln in einem Scherbenhaufen enden. Plastikkugeln wollte sie nicht am Baum hängen haben. Es gab Alternativen, die kamen einfach nicht für sie infrage.

„Ohne Baum ist es doch nicht schön“, versuchte sie zu überzeugen.

„Das können wir sagen, wenn wir Weihnachten ohne Baum erlebt haben. Ich bin mir sicher, wir werden es überleben. Als letztes Jahr der eine Adventskalender ausverkauft war, war es auch kein Weltuntergang.“

Doch, dachte Katja, sprach es aber nicht laut aus. Für sie war es furchtbar gewesen, dass sie ganz auf einen verzichtet hatte. Das schien Stefan nicht aufgefallen zu sein.

„Was ist mit deiner Mutter?“, sagte sie auf einmal. „Die will bestimmt einen Baum haben, wenn sie mit uns Weihnachten feiert.“

„Wir könnten einen im Topf kaufen. Der wird nach Weihnachten ausgepflanzt.“

„Die gehen alle ein, weil ihre Wurzeln beschädigt sind, außerdem haben wir keinen Garten.“

„Dann kaufen wir uns einen Plastikbaum. An den können wir auch den Christbaumschmuck hängen. Der größte Vorteil ist, dass er nicht nadelt.“

„Dafür nimmt er Platz weg, weil wir ihn nach Weihnachten auf dem Dachboden verstauen müssen. Oder willst du ihn das ganze Jahr stehen haben? Dann staubt er allerdings ein, was auch nicht schön aussieht. Außerdem sieht ein Plastikbaum hässlich aus.“

„So schrecklich wie vor ein paar Jahren sind die auch nicht mehr. Natürlich sehen sie nicht aus wie ein echter Tannenbaum…“

„Deshalb will ich keinen“, sagte Katja schnell. Dann lieber gar keinen als Plastik.

Schweigend beendeten sie ihr Abendessen.

„Na ja, vielleicht hast du recht und wir sollten wieder einen Baum kaufen“, gab Stefan schließlich nach, auch wenn er immer noch der Ansicht war, sie bräuchten keinen.

„Weil es immer so schön ist, wenn wir im Schein der Lampen im Wohnzimmer sitzen“, sagte Katja begeistert und gab ihrem Mann einen Kuss.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 10. Dezember: Ein Sprüchlein für Weihnachten

„So, Leute, ich konnte die Weihnachtskampagne für Tecklinger an Land ziehen“, sagte Helge und lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück.

„Bisschen spät, oder? Wir haben bald Weihnachten“, meinte Manfred aus der Grafik.

„Die läuft doch schon“, sagte Stephanie.

„Und überaus erfolgreich“, ergänzte Tina.

„Ich habe nicht gemerkt, dass dort mehr Menschen anzutreffen sind“, meinte Philipp.

„Vielleicht kaufen die alle online“, sagte Tina.

„Ob erfolgreich oder nicht, der Vertrag zwischen unserer Konkurrenz und Tecklinger lief aus und ich habe es geschafft, denen einen fünf Jahresvertrag aufzuschwatzen.“

„Den sind wir hoffentlich nicht nach einem Jahr wieder los“, unkte Tina.

„Wenn wir Tecklinger was bringen, das sie überzeugt, wird der Vertrag später verlängert werden“, meinte Helge zuversichtlich.

Tina sah überall schwarz. Wenn es nach ihrem Verständnis ging, würde jeder schwarz tragen und grundsätzlich glauben, alle anderen hätten Glück.

„Kugelige Weihnachten“, sagte Philipp.

„Willst du alle darauf aufmerksam machen, dass sie während der Adventszeit zunehmen, weil sie zu viel Lebkuchen, Dominosteine und Blätterkrokant fressen?“, sagte Stephanie.

„Ich dachte eher an die Christbaumkugeln.“

„Finde ich nicht gut“, sagte Tina. „Das klingt so negativ.“

„Als Radio-Spot kann man das natürlich nicht nehmen, aber auf Plakaten sieht das entsprechend gestaltet bestimmt nicht schlecht aus“, meinte Helge und notierte sich etwas.

„Dann können wir auch Lametta dein Haus nehmen“, schlug Stephanie vor.

„Wer weiß denn heute noch, was Lametta ist?“, sagte Manfred.

„Kann man noch überall kaufen. Und für die anderen gibt es Loriot“, sagte Philipp, der sich Weihnachten bei Hoppenstedts des Öfteren ansah und immer wieder was Neues entdeckte.

„Da müsstet ihr euch etwas in der Graphik ausdenken, was dazu passen könnte“, sprach Helge Manfred an.

„Vielleicht so eine Art Vorhang. Mal sehen, was uns einfällt.“

„Dann hätte der Chef auch noch einen Vorschlag zu machen: Tannenbaume dich warm. Dazu jede Menge Tannenbäumchen – geschmückt und natur“, sagte Helge.

„Verwursten wir jetzt alles, was man mit Weihnachten verbindet?“, wollte Philipp wissen. „Im Sinne von Lebkuchenhause dich schön?“

„Du hast richtig Talent“, neckte ihn Stephanie. „Ich glaube, du solltest in einer Werbeagentur arbeiten.“

„Adventskalender dir die Fenster“, setzte er hinterher. Seine Kollegin war wieder neidisch, weil er Ideen aus dem Hut zauberte und sie es in der Zeit gerade mal auf eine einzige brachte.

„Das sollte erst einmal reichen. Ihr denkt euch zu den genannten Sachen aus, was für Dinge auf den Plakaten zu finden sein könnten. Philipp wird sich dabei um die Fernsehspots kümmern und Tina ums Radio. Bedenkt dabei, der Hörer muss sich darunter sofort etwas zum Dekorieren vorstellen können. In zwei Tagen will ich erste Ergebnisse sehen.“

„Wann müssen wir endgültig damit fertig sein?“, wollte Stephanie wissen.

„Stichtag ist die erste Januarwoche. In der Woche darauf werden wir die Ideen präsentieren. An die Arbeit! Tecklinger darf nicht enttäuscht werden.“

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender-Minutengeschichte2023 09. Dezember: Plätzchen-Bande

Aufgeregt lief Edgar zu seinen Freunden, die auf dem Spielplatz Verstecken spielten.

„Meine Oma backt mit meiner Schwester Weihnachtsplätzchen.“

„Wieso bist du nicht dabei?“, wollte Anton wissen.

„Ich darf nicht.“

„Warum?“, fragte Steffi.

„Weil ich letztes Jahr den Keksausstecher kaputt gemacht habe, aber das war ich nicht! Das war Frieda. Sie hat das absichtlich gemacht, weil sie wusste, dass ich den Ausstecher für die Zimtsterne zum 3. Geburtstag bekommen habe.“

„Wie gemein!“, sagte Anton, der mit einem jüngeren Bruder geschlagen war, der sich ähnlich verhielt, und alle anderen stimmten ihm zu. „Deshalb darfst du nicht mitbacken?“

„Und ich darf keine Kekse essen – keine warmen Plätzchen, frisch aus dem Ofen. Das ist so fiese.“

„Dann holen wir uns doch Plätzchen“, meinte Steffi pragmatisch.

„Und wie?“, wollte Edgar wissen.

„Jemand muss deine Oma und deine Schwester ablenken.“

„In der Küche geht das nicht.“

„Muss auch nicht in der Küche sein. Passt auf! Zwei lenken ab, während zwei aufpassen, dass die Luft rein ist, und die nächsten zwei Kekse klauen können.“

„Das funktioniert nie“, meinte Edgar.

„Na, klar, funktioniert das. Wir dürfen uns nur nicht erwischen lassen.“

Kurze Zeit später klingelte Edgar wild an seiner Haustür.

„Hast du für uns einen Besen oder eine Leiter? Wir haben unseren Ball dort oben in den Baum geworfen und jetzt kommt er nicht mehr runter.“

„Den braucht ihr unbedingt jetzt? Ich habe so gar keine Zeit, Edgar. Kannst du nicht woanders fragen?“

„Ich habe versprochen, dass ich den Ball wieder besorgen werde. Kannst du nicht…?“

„Na gut, aber ich werde erst einmal die Plätzchen aus dem Ofen nehmen, sonst verbrennen sie.“

„Mach das.“

Die Tür schloss sich wieder und Edgar drehte sich zu den anderen. Er hielt einen Daumen in die Höhe, dass alles nach Plan verlief.

Endlich kam seine Oma und hatte Frieda im Schlepptau. Wahrscheinlich fürchtete sie, seine Schwester könnte in der Zwischenzeit alle Kekse auffressen. Würde sie machen, weil sie ihn damit ärgern konnte. Abends wäre ihr schlecht von zu viel Keksen.

„Wo ist jetzt der Ball?“

„Wir kommen einfach nicht dran und runterfallen kann er auch nicht“, klagte Edgar ihr sein Leid.

„Ich seh schon, das haben wir gleich.“

Edgar hatte Steffi und Theo ein Zeichen gegeben, sodass diese nun mit seinem Türschlüssel ins Haus gingen. Anton und Ole standen Schmiere und passten auf, dass Edgars Oma abgelenkt war, sonst würde Anton Steffi anrufen.

Edgars Schwester wurde von Lina abgelenkt, während er selbst seine Oma beschäftigt hielt, die mit dem Besenstiel immer wieder gegen den Ball stieß, damit er sich bewegte und vom Baum runterfiel.

Unterdessen kamen Steffi und Anton mit vollen Händen aus dem Haus gelaufen, entfernten sich mit Anton und Ole rasch vom Grundstück und versteckten sich hinter der hohen Hecke, wo niemand sie sehen konnte.

Lina hatte alles im Blick gehabt und nickte Edgar zu. Dieser lenkte weiter seine Oma ab, aber als der Ball vom Baum herabfiel, bedankte er sich artig.

„Kann ich ein Plätzchen haben?“, fragte er scheinheilig, obwohl er es kaum erwarten konnte, endlich die Kekse zu essen, die Steffi und Theo aus der Küche geholt hatten.

Mit seiner Frage hoffte er, jeden Verdacht von sich zu weisen, wenn herauskam, dass ein paar Weihnachtskekse fehlten.

„Von warmen Plätzchen bekommt man Bauchweh. Du kannst heute Abend zwei, drei Stück haben.“

„Das ist gemein!“, sagte er trotzig und schob schmollend die Unterlippe hervor, wie er das sonst immer machte.

„Ich krieg sonst Ärger mit deiner Mutter, wenn du krank im Bett liegst.“

„Aber heute Abend?“

„Ja, wie gesagt, zwei oder drei Plätzchen.“

Und seine Schwester hatte bis dahin den halben Plätzchenteig aufgefressen.

„Danke für den Ball, Oma“, sagte Edgar schnell und lief mit Lina zu seinen Freunden.

Ungeduldig hatten die schon auf ihn gewartet.

Die Beute wurde bewundert, dann unter den Freunden aufgeteilt und alle futterten mit Genuss ihre inzwischen ausgekühlten Plätzchen.

(Helen Hoffmann)