Norma sah, wie ihre Mutter in ihrem Rezeptbuch blätterte und Zettel zwischen einzelne Seiten legte.
„Was machst du da?“, wollte sie wissen.
„Ich sehe mir verschiedene Rezepte an, die ich an Heiligabend kochen könnte.“
Norma sah ihrer Mutter dabei zu, wie diese durch das Buch blätterte und es schloss, als sie am Ende angekommen war.
„Du, Mama? Kommt Oma?“
„Ja“, antwortete ihre Mutter, verwundert über diese komische Frage.
„Und Opa?“
Warum wollte Norma das wissen?
„Der natürlich auch. Weihnachten kommen alle zusammen. An Heiligabend findet unsere Familienfeier statt.“
„Kommt Giftnudel Herta mit ihrem Schlaffi auch?“
„Norma, so was sagt man nicht! Wo hast du das her?“, sagte ihre Mutter entsetzt.
„Oma hat das zu Papa gesagt. Wenn die Giftnudel mit ihrem Schlaffi kommt, feiert sie woanders“, meinte das Mädchen, stolz darauf, wiedergeben zu können, was sie gehört hatte.
„Das hast du bestimmt falsch verstanden.“
„Ich habe daneben gestanden. Papa hat versprochen, Hertha und ihren Schlaffi da zu lassen, wo sie hingehören.“
„Und wo ist das?“
„Hat Papa nicht gesagt.“
Ihre Schwiegermutter lag nicht falsch mit den Bezeichnungen. Ihre Schwester hatte an alles und jedem etwas auszusetzen und Richard war der größte Langweiler, den es geben konnte. Selbst die Stille war interessanter als ein Gespräch mit ihrem Schwager. Dennoch gehörte es sich nicht, in Normas Gegenwart so von den beiden zu sprechen. Wenn ihre Tochter das in Gegenwart von Hertha und Richard gesagt hätte, wäre die Hölle losgewesen. Ihr Schwager hätte das sehr wahrscheinlich lustig gefunden, aber Hertha?
Von ihrer Schwester hätte sie sich anhören müssen, dass ihre Tochter ein verzogenes Gör ohne Erziehung sei, aber bei der Mutter wäre das auch kein Wunder. Dabei war Hertha in ihrer Kindheit immer diejenige gewesen, die Ärger gemacht hatte.
„Ich will, dass Oma und Opa kommen, die haben immer tolle Geschenke für mich. Tante Hertha bringt mir immer Schokolade mit, die ich nicht mag.“
„Die Giftnudel und der Schlaffi müssen dieses Jahr Zuhause bleiben“, versprach Normas Mutter und erstarrte. Jetzt hatte sie das tatsächlich auch gesagt. Hoffentlich hatte ihre Tochter das nicht mitbekommen.
(Helen Hoffmann)