#Adventskalender-Minutengeschichte – 15. Dezember: Haltet den Dieb!

Wo war sein Portemonnaie? Das hatte er in die Außentasche gesteckt, damit er besser rankam, wenn er was bezahlen musste und nicht umständlich den halben Mantel auszog.

Es war nicht da. Doch, da war es. Es hatte sich verhakt. Rainer zog seine Geldbörse hervor und wollte sie öffnen, als ihn jemand anrempelte.

„Geht’s noch?“, brachte er gerade noch fertig zu sagen, bevor er merkte, dass ihm das Portemonnaie gestohlen worden war. Mitten aus seinen Händen war es gerissen worden, als man ihn angerempelt hatte. Diese Diebe wurden immer dreister. Früher hatte man auf dem Weihnachtsmarkt aufpassen müssen, dass einem kein Taschendieb die Geldbörse aus der Jackentasche schnitt und jetzt wurde sie einem einfach vor dem Bezahlen entrissen.

Der Dieb konnte was erleben. So alt war er noch nicht, dass er die Verfolgung nicht aufnehmen konnte.

„Haltet den Dieb!“, rief er und lief hinter einer dürren Gestalt her.

Verwundert blickten ihn die anderen Weihnachtsmarktbesucher an, machten bereitwillig Platz und waren froh, dass nicht sie es waren, denen man die Brieftasche gestohlen hatte.

Auf dem großen Platz vor dem Karussell tummelten sich besonders viele Leute, dass der Taschendieb in der Menge untertauchen konnte und er ihn aus den Augen verlor. Rainer rannte noch in die eine und in die andere Richtung, konnte den Dieb nicht mehr entdecken und kehrte wütend zu seinem Ausgangspunkt zurück, wo seine Frau zurückgeblieben war.

„Na, hast du ihn geschnappt?“, wollte sie wissen.

Er schüttelte den Kopf.

„Der ist abgehauen. Mein schönes Portemonnaie“, jammerte Rainer. „Da war alles drin. EC-Karte, Personalausweis, Versichertenkarte, diverse Kundenkarten. Das muss ich alles sperren und neu beantragen.“

Ihm graute davor, das alles machen zu müssen.

„Wie konnte dir der Dieb deine Brieftasche aus dem Mantel ziehen? An deine Brusttasche kommt niemand heran.“

„Das hat er mir aus der Hand gerissen, Martina. Hast du das nicht gesehen?“

Manchmal fragte er sich, was mit den Augen seiner Frau los war. Sie sah Dinge, die sich so nie abgespielt hatten.

„Das war dein altes Portemonnaie. Vorhin im Kaufhaus hast du alle Sachen in deine neue Brieftasche gesteckt, nachdem du sie gekauft hattest. Weißt du es nicht mehr?“

Rainer überlegte und erinnerte sich dunkel, dass er eine Geldbörse in die Innenjacke des Mantels gesteckt hatte. Das geklaute Exemplar hatte er aus der Außentasche gezogen.

Er fing zu lachen an. Der Dieb hatte eine völlig leere Brieftasche gestohlen. Dafür hatte er so ein Theater gemacht? Das dumme Gesicht des Taschendiebs hätte er zu gern gesehen, wenn dieser feststellte, dass nicht einmal mehr ein Cent in dem Portemonnaie zu finden war.

(Helen Hoffmann)

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