#Adventskalender-Minutengeschichte – 19. Dezember: Es schmeckt auch ohne Butter

Das war eine Premiere. Vegane Kekse, ganz ohne Butter und Ei. Nie hätte Ellen gedacht, dass so was funktionieren würde. Aber Kekse ohne Gluten gab es auch und die schmeckten sogar besser als die normalen. Sie hatte es auf der Arbeit ausprobiert. Niemand hatte etwas bemerkt, dafür waren alle total begeistert von dem neuen Rezept gewesen und hatten wissen wollen, was sie geändert hatte.

Nichts, außer dass sie Maismehl genommen hatte, aber alles andere war gleich geblieben.

Heute würden sie vegane Kekse bekommen. Mal sehen, ob jemand einen Unterschied bemerken würde.

„Was hast du denn Feines mitgebracht?“, wollte ihr Chef wissen und starrte neugierig auf die beiden Keksdosen.

„Vanillekipferl und Schwarz-Weiß-Gebäck.“

„Herrlich!“, freute er sich und konnte es nicht erwarten, die ersten Plätzchen zu stibitzen.

„Ich stell’s in die Teeküche“, sagte Ellen und verkniff sich ein Grinsen. Chefchen würde wieder die meisten Kekse nehmen und sich dann lauthals bei den Kollegen beschweren, wer denn so viel gefressen hätte. Ob das auch mit den veganen Keksen so sein würde?

Kaum hatte sie in der Teeküche die beiden Keksdosen abgestellt und geöffnet, als die ersten ankamen.

„Hast du wieder gebacken?“, fragte Rudolf und griff ungeniert in eine der Keksdosen.

„Sieht so aus.“

„Schmeckt gut“, meinte ihr Kollege mit vollem Mund. „Die schmecken noch besser als letztes Mal. Wie machst du das nur?“

Ellen zuckte mit den Schultern. Solange sie in den letzten Jahren Kekse gebacken hatte, hatten diese immer gleich geschmeckt. Es war die gleiche Menge, die gleiche Backzeit und es waren die immergleichen Zutaten gewesen. Da konnte nichts besser oder schlechter schmecken. Die Bedingungen waren immer gleich.

Sie ging an die Arbeit, sah immer wieder, wie ein Kollege sich auf den Weg Richtung Teeküche machte und mit vollbepackten Händen wiederkam.

Manche steckten kurz ihren Kopf in ihr Büro und bedankten sich für die leckeren Kekse.

Nur Iris kam als einzige mit leeren Händen zurück. Sie wirkte richtiggehend enttäuscht und schüttelte immer wieder den Kopf. Was war mit ihrer Kollegin los? Ging es ihr nicht gut?

Ellen ließ ein paar Sekunden verstreichen und ging dann zu Iris, die ihr Büro zwei Zimmer weiter hatte.

„Alles in Ordnung mit dir? Hast du irgendwas?“

„Es geht mir ausgezeichnet. Nein, es ging mir ausgezeichnet bis ich einen deiner Kekse probiert habe. Die schmecken überhaupt nicht. Was hast du damit gemacht? Sind die vegan?“

„Da sind keine Eier drin“, bestätigte Ellen.

„Und keine Butter“, stellte Iris fest.

„Genau, ich habe Margarine genommen.“

„Die vertrage ich nicht, weil es für mich pures Fett ist.“

„Das tut mir leid. Pass auf, Iris, ich backe dir heute Abend ein paar nicht vegane Kekse, die du morgen essen kannst.“

„Das ist lieb, aber das muss nicht sein, du kannst schließlich nichts dafür, dass ich keine Margarine vertrage. Die Kekse sind echt gut. Die anderen merken gar nicht, dass sie vegane Plätzchen essen. Chefchen hat sich einen Teller voll gestapelt. Ich hätte selbst nicht gemerkt, dass die Kekse vegan sind, wenn ich diese Fettempfindlichkeit nicht hätte.“

Dieses Lob gefiel Ellen besonders gut, weil es von jemandem gekommen war, der gemerkt hatte, dass sie vegane Kekse gebacken hatte, auch wenn der Grund nicht so schön war. Das zeigte ihr, dass ihren Kollegen alles schmeckte, egal ob mit Butter oder vegan.

(Helen Hoffmann)

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