Einen Adventskalender zum befüllen zu kaufen war einfach. Seine Familie zu bitten, dass sie etwas für einen kaufte, damit man jeden Tag eine Kleinigkeit bekam, war was anderes. Denn entweder funktionierte es nicht oder man bekam Sachen, die man gar nicht haben wollte. War ihr alles schon passiert.
Dieses Jahr hatte sie die optimale Lösung gefunden und sich selbst ein paar Kleinigkeiten gekauft und dazu noch ein paar Zettelchen mit motivierenden Sprüchen oder kleinen Aufgaben geschrieben. Die hatte sie ihrer Familie übergeben, die sie in die beigelegten Adventskalendertüten ganz nach ihrem Gutdünken packen sollten. So wusste sie zwar, was sie bekommen würde, aber nicht wann. Das war die eigentliche Überraschung.
Mira nahm voller Vorfreunde die Tüte für den heutigen Tag ab und schüttete den Inhalt auf dem Tisch aus. Den Lipgloss mit Kirschgeschmack würde sie nachher gleich ausprobieren, wenn sie in die Uni fuhr. Und was stand auf dem Zettel?
Sei mutig, biete jemandem deine Hilfe an.
Mit verkniffenen Zügen las sie noch einmal, was auf dem Zettelchen stand, aber die Worte änderten sich nicht.
Hilfe anbieten? Heute? Hatte sie keine Zeit. Die Uni ging bis zum frühen Abend und dann musste sie noch ein paar Stunden arbeiten. Ihre Mittagspause wollte sie dafür bestimmt nicht opfern.
Wieso musste gerade heute der Zettel drin sein? Wieso hatte sie ihn überhaupt geschrieben? Hätte der nicht am Sonntag in dem Tütchen drin sein können? Dann hätte sie ihren Eltern angeboten die Wohnung staubzusaugen. Das ging gar nicht. Ein anderer Zettel musste her, sofort!
„Stimmt was nicht, Mira? Gefällt dir der Lipgloss nicht mehr?“, fragte ihre Mutter besorgt.
„Nein, nein, alles in Ordnung. Der Lipgloss ist toll, aber der blöde Zettel. Das ist falsch, was da drauf steht.“
„Ich habe keinen neuen geschrieben. Vielleicht hat dein Bruder…“
„Das ist von mir, aber das passt mir heute nicht. Wieso habe ich das nur geschrieben?“, jammerte Mira.
„Lass sehen“, sagte ihre Mutter und nahm ihr den Zettel ab.
„Tja“, mehr hörte Mira ihre Mutter nicht sagen, sondern sah, wie diese den Zettel und den Lipgloss nahm und beides zurück in die Papiertüte packte.
„Was wird das? Ich will den Lipgloss gleich benutzen.“
„Das würde ich mir noch mal überlegen, wenn du die Aufgabe auf dem Zettel nicht erledigen willst. Dafür machst du einfach heute Abend die Tüte des Adventskalenders auf und tust so, als hättest du es heute Morgen vergessen. So entgehst du deiner Aufgabe und musst sie eben morgen erledigen oder du kochst heute Abend für uns. Das kannst du dir überlegen.“
Bloß nicht kochen, aber die Lösung gefiel Mira. Sie würde einfach heute Abend die Tüte noch einmal aufmachen. Das ihr das nicht selbst eingefallen war. Aber dann konnte sie den Lipgloss nicht benutzen. Na ja, morgen war auch noch ein Tag. Aber zwei Aufgaben würde sie morgen nicht erledigen. Vielleicht würde sie doch was kochen. Irgendwo lag bestimmt noch ein Beutel mit Spaghetti herum und Pesto stand im Kühlschrank. So würde sie das machen.
(Helen Hoffmann)