#Adventskalender-Minutengeschichte – 22. Dezember: Die Gans ist weg!

In drei Tagen war Weihnachten, es sollte Gans geben und das Geflügel war nicht im Gefrierschrank. Der Super-GAU war eingetreten, den sie immer gefürchtet hatte. Die Hafermastgans war weg! Wo sollte sie jetzt noch eine Gans bekommen? Wenn es noch tiefgefrorenes Geflügel gab, handelte es sich um französische Puten. Wenn sie eines nicht aßen, war es Putenfleisch, weil es so schnell trocken wurde im Ofen.

Sie hatten eine gekauft, daran erinnerte sie sich deutlich. Vor vier Wochen waren sie im Supermarkt gewesen, hatten sich ein schönes tiefgefrorenes Exemplar ausgesucht und hatten es an der Kasse bezahlt. Oder spielte ihr die Erinnerung einen Streich?

Hektisch lief sie zum Regal und nahm eine ausrangierte Keksdose, um die Kassenzettel der letzten Wochen zu studieren. Da, sie hatte den Zettel gefunden. Knapp 25 Euro hatten sie für die Hafermastgans hingeblättert. Und wieso war sie nicht im Gefrierschrank? Hatte sie nie den Weg dorthin gefunden?

Ein jäher Schreck durchfuhr sie. Hatten sie das Geflügel im Einkaufswagen vergessen? Weihnachtseinkäufe stressten sie immer und es war durchaus möglich, dass sie den Tiefkühlvogel liegen gelassen hatte. Was hatte sie nicht schon alles vergessen? Ein Gans war nur der Höhepunkt all dessen.

Was sollte sie anstelle des Vogels machen? Jeder in der Familie erwartete an Heiligabend eine knusprige Gans auf dem Tisch stehen zu sehen. Wenn keine da war?

Hatte sie den Gefrierschrank auch richtig durchgesehen? Vielleicht war der Tiefkühlvogel irgendwo ganz nach hinten gekommen und sie sah ihn deshalb nicht.

Sie öffnete noch einmal den Gefrierschrank, zog die erste Schublade ganz heraus und durchwühlte deren Inhalt. Nichts! Dasselbe machte sie mit der zweiten Schublade, die sie danach kaum wieder reinschieben konnte, weil sie die ganzen Beutel und Schachteln wild durcheinander geworfen hatte.

Gerade wollte sie die dritte Schublade herausnehmen, als ein Schlüssel ins Türschloss gesteckt und die Haustür aufgeschlossen wurde. Das würde ihr Mann sein. Wie sollte sie ihm nur sagen, dass sie die Gans verloren hatte?

Sie sah auf die Uhr und stellte fest, dass er eine Stunde später als üblich gekommen war.

„Hast du im Stau gesteckt?“, wollte sie wissen.

„Nein, ich war nur noch kurz im Supermarkt, wie wir es besprochen haben.“

„Ich habe doch alles, also fast alles“, sagte sie gedehnt und suchte nach den richtigen Worten, um ihrem Mann zu beichten, dass es dieses Jahr keine Gans an Heiligabend geben würde.

„Genau, du hast fast alles. Es fehlt nur noch das hier“, sagte er und hielt ihr die Tiefkühlgans hin.

„Wo hast du die denn her?“, fragte sie überrascht.

„Aus dem Supermarkt“, sagte er und wunderte sich über ihre Reaktion.

„Aber die haben seit letzter Woche keine einzige mehr. Ist die aus einer neuen Lieferung?“

„Nee, das ist unsere Gans, die wir vor vier Wochen gekauft und dann dem Supermarkt zur Lagerung übergeben haben. Ich weiß doch, wie voll der Gefrierschrank bei uns immer ist. Da hätte die Gans nur gestört und wenn der Supermarkt die Lagerung ohne Mehrkosten anbietet, warum sollten wir es nicht nutzen?“

„Ach!“

Jetzt erinnerte sie sich. Sie hatten die Gans an der Kasse bezahlt und sie einlagern lassen. Das hatte sie völlig vergessen. Wenigstens hatte ihr Mann daran gedacht, sie abzuholen, sonst würden sie an Heiligabend tatsächlich ohne Gans da stehen.

(Helen Hoffmann)

#Adventskalender 22. Dezember – Es glänzt und blinkt und blitzt

Die Arbeit war getan. Der Baum war geschmückt. Zufrieden packte er die Kisten zusammen und trug sie in den Keller.
Gleich würde er sich den Weihnachtsbaum noch einmal in aller Ruhe ansehen, ob auch alles so hing, wie es am besten zur Geltung kam, bevor er seine Lieben dazuholen konnte.
Wieder im Wohnzimmer schaltete er das Licht ein, besah sich den geschmückten Baum und rückte hier und da eine Kugel oder ein Goldblech zurecht. Letztere behandelte er mit besonderer Vorsicht, denn sie stammten von seinen Eltern.
Bevor er sie an den Baum gehängt hatte, waren siemit einem feinen Tuch geputzt und anschließend mit Handschuhen an die Zweige gekommen. Seine Mutter hatte es so auch immer gemacht. Ihm und seinem Bruder war es verboten gewesen, die Goldblechanhänger anzufassen. Die vorsichtige Behandlung hatte sich gelohnt, denn noch imme strahlten sie wie neu.
Daneben hangen die glänzenden Goldkugeln in verschiedenen Größen. Für den Glanz eigneten sich nur Glaskugeln. Zwar gab es auch glänzende aus Plastik, aber diese waren dumpf und sie sahen auch nicht schön aus. Im Inneren des Baumes hatte er wieder die Goldgirlande locker um den Stamm gelegt. Das gab noch mal einen besonderen Effekt, wenn die elektrischen Lichter brannten und von dem Goldflitter reflektiert wurden.
Die Perlen- und Sternenketten lagen auch alle gut verteilt auf den hängenden Ästen und nicht übereinander, dass sie sich womöglich verhedderten.
Wohlwollend betrachtete er sein Werk und war zufrieden, doch eine Kleinigkeit fehlte noch,
Mal sehen, wie es aussah, wenn die elektrischen Kerzen brannten und das Wohnzimmerlicht ausgeschaltet war. Erst wenn er bei diesem Licht den Baum betrachtet hatte und zufrieden war, konnte er ihn für die Familie freigeben.
Seine Frau belächelte ihn wegen seiner angeblichen Pingeligkeit, aber es musste doch perfekt sein. Was war Weihnachten ohne ohne einen richtig geschmückten Christbaum? Nichts!
Das Wohnzimmerlicht war aus, er schaltete mit dem Funksender die elektrischen Kerzen an.
Der Baum erstrahlte in schönster Pracht.
„Es glänzt und blitzt und blinkt“, stellte er zufrieden fest. Weihnachten konnte kommen.
(Helen Hoffmann)

Adventskalender 22. Dezember – Weniger ist mehr

Früher war mehr Lametta und heutzutage war weniger Geschenkpapier mehr. Wurden in den letzten Jahren noch geradezu verschwenderisch die Geschenke eingepackt, sah es in diesem Jahr völlig anders aus. Verpackt waren die Geschenke immer noch, aber nicht mehr mit aufwendig bedrucktem Papier, das es zu Massen in den Läden zu kaufen gab, sondern mit bemaltem Packpapier oder einfach Zeitungspapier. Der Trend ging zu Selbstgemachtem und da war bemaltes Packpapier das Beste, was es gab. Zugegeben, anfangs kostete es noch ein wenig Überwindung, auf das jungfräuliche Papier etwas zu zu zeichnen, zu malen oder zu schreiben. Hatte man erst angefangen, konnte man sich kaum stoppen. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt, man konnte seine Kreativität ausleben. War man damit weniger gesegnet, griff man auf Zeitungspapier zurück. Das hatte man in Hülle und Fülle, wenn man eine Tageszeitung aus Papier las. Große Geschenke ließen sich damit natürlich nicht verpacken, aber es sah originell aus. Natürlich konnte man nicht jedem ein Geschenk überreichen, das in Zeitungspapier eingewickelt war. Manche Beschenkten würden die Nase rümpfen bei so einer billigen Verpackung und wahrscheinlich vermuten, dass man zu faul gewesen sei, den Altpapiercontainer aufzusuchen. Diesen zu erklären, man wolle nur Ressourcen sparen, weil man an die Klimaerwärmung und die Zukunft der nächsten Generationen denke, so wird man nur schiefe Blicke ernten. Als verrückter Öko würde man in eine Ecke geschoben, dabei wollte man nur mit gutem Beispiel vorangehen. Doch solange die anderen nicht mitzogen…
Weniger war oft mehr. Früher hatte man das Papier von den Geschenken gerissen und musste aufpassen, dass es sich nicht an den Kerzen entzündete. Bei den elektrischen Kerzen musste man ein Feuer nicht befürchten, aber der Müll blieb dennoch. Wer verwendete Geschenkpapier ein weiteres Mal? Erst musste man mühsam die Klebestreifen entfernen und dann jedes Papier glattbügeln. Wenn man Pech hatte, färbte das Geschenkpapier entweder auf den Bügelbezug oder auf das Bügeleisen ab, dass man sich später die Hemden und Blusen versaute.
Niemand receycelte Geschenkpapier, sondern warf es weg. Da war die Papiertonne voll. Pech, wenn diese gerade abgeholt worden war und man vier Wochen warten musste. Die Menge, die sich bis dahin ansammelte, passte nicht in die Tonne und man war gezwungen, zum Altpapiercontainer zu laufen.
Waren die bunten Farben überhaupt fürs Altpapier geeignet? Darüber machte man sich gar keine Gedanken. Wenn man genauer darüber nachdachte, musste das doch Probleme geben. Na gut, Hochglanzzeitschriften waren auch bunt, da würde wohl keine Probleme bereiten.
Aber das Müllproblem blieb bestehen. Deshalb eignete sich Zeitungspapier so gut. Das hatte man sowieso zu Hause liegen und würde in der Papiertonne landen. Warum zuvor nicht etwas zweckentfremden? Irgendwann würden es alle verstanden haben und es nutzen. Man konnte damit auch dezente Botschaften senden, ohne etwas sagen zu müssen. Ein großformatiger Artikel über Donald Trumps neuesten Schwachsinns-Coup an Onkel Gustav, der auch immer hinverbranntes Zeug von sich gab.
Nur die Kinder würden weiterhin richtiges Geschenkpapier bekommen. Die wollten etwas Buntes und keine Buchstaben auf der Umhüllung ihrer Geschenke sehen. Aber je älter sie wurden, desto begreiflicher konnte man ihnen machen, dass es sich nicht lohnte, Geschenkpapier zu kaufen, das nur einmal benutzt wurde. Das war nicht umweltfreundlich und deshalb war weniger mehr.
(Helen Hoffmann)