#Adventskalender-Minutengeschichte – 17. Dezember: Düstere Gestalten im Garten

Was war es spät geworden. Zu spät, wie er hatte feststellen müssen. Jetzt musste er sich ins Haus schleichen, damit niemand mitbekam, dass er erst jetzt nach Hause käme.

Von vorne konnte er nicht rein, dort war der gesamte Vorgarten in helles Weihnachtslicht getaucht, dass den schlaflosen Nachbarn sofort auffallen würde, wenn jemand auf dem Grundstück herumschlich. Er wollte nicht riskieren, dass man die Polizei rief und dann herauskam, dass nur er es gewesen war. Die Nachbarn würden sich darüber amüsieren, seine Eltern würden ihm Hausarrest aufbrummen und das Smartphone entziehen. Um diese drakonischen Strafen zu vermeiden, die beide Seiten nicht mochten, musste er den Hintereingang nehmen. Der war am besten durch den Garten zu erreichen.

Aua! Er hatte sich den Kopf an irgendeinem dicken Ast gestoßen. Das würde eine Beule geben. Im Garten war es stockduster, dass er die Hand vor Augen nicht sah und der Mond kam nur ab und zu hinter einer Wolke hervor. Er mochte den Weg kennen, aber ohne Licht war es schwer, einen herabhängenden Ast oder eine Beetbegrenzung zu sehen.

Jetzt kam wenigstens der Mond zum Vorschein und leuchtete ihm ein wenig den Weg. Weit war es nicht mehr und er hätte es geschafft.

Er fuhr zurück und erstarrte. Was war das dort vorne? Nein, wer war das?

Schnell rannte er hinter einen Buchsbaum, der wie ein Kegel geschnitten war. In gebückter Haltung lugte er über dessen Rand. Die Gestalt stand immer noch reglos wenige Meter von ihm entfernt. Offensichtlich schien er zu warten. Ob das sein Vater war, um ihn abzupassen? Der konnte nicht wissen, dass er jetzt heimkam. Stand er vielleicht seit Stunden dort und wartete? In der Kälte? Oder… Gab es irgendwo einen Bewegungsmelder, der im Haus angezeigt hatte, dass jemand im Garten herumschlich? Seit wann nutzten seine Eltern diese Technik?

Was machte er jetzt? Abwarten? Das ging nicht. Ihm war kalt und er musste dringend.

Na gut, ergab er sich in sein Schicksal und… Sein Blick war Richtung der Nachbarn gegangen und dort standen noch zwei Gestalten.

Waren seine Mutter und seine Schwester auch hier draußen, um ihm aufzulauern? Wollten sie ihm Angst einjagen? Täuschte er sich und das war nicht seine Familie, sondern Einbrecher, die ins Haus wollten?

Er begann zu zittern, ob von der Kälte oder aus Angst vor den Unbekannten, konnte er nicht sagen.

Wenn das wirklich Einbrecher waren, dann… Was machte er nur? Auf keinen Fall durfte er auf sich aufmerksam machen. Am besten ging er den Weg wieder zurück, den er gekommen war. Oder sollte er sie verjagen?

Mit einer Polizeisirene? Das wäre zu laut. Ein imitiertes Blaulicht, das wäre optimal, denn da wusste jeder gleich bescheid. Hoffentlich gab es so was zum Herunterladen. Wie machte er das Smartphone an, ohne dass er auffiel? Das Licht würde weit über den Buchskegel strahlen. Konnte er es riskieren? Wenn er nichts machte, würde seine Familie in Gefahr geraten. Er musste handeln.

Er fand ein Programm, dass ein Polizeiwarnlicht imitierte, schaltete den Nachtmodus aus und erhöhte die Bildschirmhelligkeit.

Während das Blaulicht lief, lugte er über den Buchsbaum und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Die dunklen Gestalten waren weder seine Eltern noch Einbrecher, sondern ein Tannenbaum, der Weihnachtsmann und ein Nussknacker. Alle aus gerostetem Eisen. Wann hatten seine Eltern das im Garten aufgestellt?

Er fing zu lachen an, so komisch fand er es. Weihnachtliche Figuren und er hatte geglaubt, Einbrecher würden das Haus ausspähen. Wer dachte an so was?

Oje, im Schlafzimmer seiner Eltern wurde Licht angemacht. Schnell machte er sein Handy aus und ging hinter dem Buchsbaum in die Knie, um unsichtbar zu werden.

„Lukas, ich weiß, dass du da unten bist. Komm ins Haus“, hörte er seinen Vater sagen.

Mist, jetzt hatten sie ihn doch erwischt. Wäre nur nicht der rostige Weihnachtsmann gewesen.

(Helen Hoffmann)