Draußen war es empfindlich kalt geworden. Selbst für sie, die einiges gewöhnt war und sich nicht so schnell Frostbeulen holte, im Gegensatz zu ihren verwöhnten Genossen, die schon jammerten, wenn es zu regnen anfing, waren die Temperaturen zu niedrig.
Da war selbst ihr zu kalt und sie blieb nicht draußen in ihrem Bau mit der kuscheligen Weihnachtsmütze, die absolut nicht wärmte, sondern stattete ihren Genossen einen längeren Besuch ab. Diese Langweiler waren schließlich ihre Familie.
Sie hatte ganz vergessen, wie mollig warm es hier drinnen war. Herrlich!
Kaninchen Hoppel-Knickohr streckte sich ausgiebig und putzte sich ihre Ohren. Man musste schön aussehen, dann endete man nicht als Kaninchenbraten. Davon abgesehen war sie viel zu zäh.
Schnell auf ihren Platz, der hoffentlich von keinem ihrer Genossen für sich beansprucht wurde. Erst vor Kurzem hatte sie allen klar gemacht, dass sich dort niemand breitzumachen habe. Einen besonders uneinsichtigen Genossen hatte sie durch den ganzen Stall gejagt bis er aufgegeben hatte. Im Ggegensatz zu ihren verwöhnten Genossen besaß sie Ausdauer.
Irritiert blieb Hoppel-Knickohr stehen und starrte auf die Stelle, die eigentlich ihr Ruheplatz war. Wieso war ihr Platz besetzt? Wer hatte das getan?
Wütend starrte sie die geschmückten Zweige an, die genau dort standen, wo sie sich gerade hatte ausstrecken wollen.
Das hatte dort nichts zu suchen! Das war ihr Platz!
Ihren Genossen hatte sie klarmachen können, dass sie sich von hier fernzuhalten hatten, nur den Zweibeinern war natürlich nicht bekannt, dass es sich um ihren Platz handelte, der nun von Tannengestrüpp und bunten Kugeln belegt wurde.
Das musste weg! Auf der Stelle! Wenn die anderen mitbekamen, dass sie einfach klein beigab, hätte sie ihr Ansehen bei ihnen verspielt.
Mit ihren scharfen Vorderzähnen zerrte sie an einer Tannenspitze, doch ihre Kraft reichte nicht aus, um das Weihnachtsgesteck von ihrem Platz zu zerren. Vielleicht würde es leichter sein, wenn sie weiter oben reinbiss.
Hoppel-Knickohr stellte sich auf ihre Hinterbeine und zog an einem höher gelegenen Ast. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und fiel rücklings, den Ast noch immer fest mit ihren Zähnen umklammert, dass das Weihnachtsgesteck sich von seinem Platz löste und auf sie fiel.
Mühsam gelang es ihr, sich von den Tannenästen und bunten Kugeln zu befreien. Von ihren Genossen hatte ihr natürlich niemand geholfen. Na, das würde sie diesen heimzahlen, wenn die Gelegenheit günstig war.
Ihr schönes seidenglattes Fell war durch jede Menge Nadeln verunstaltet worden. Sie würde sich erst einmal ausgiebig putzen müssen bis sie wieder vorzeigbar war. Wie gut, dass sie sich im Stall befand, sonst hätte sie jetzt hierherflüchten müssen, damit niemand sie sah. Die Schmach blieb ihr erspart.
Ihr schöner Platz war nicht mehr belegt. Jetzt schnell hin, bevor noch jemand anderes auf die Idee kam und sich dort breit machte. Da legte nur sie sich hin und genoss die Wärme des Stalls. Dieses Tannengestrüpp würde hoffentlich verschwinden.
(Helen Hoffmann)