#Adventskalender-Minutengeschichte – 20. Dezember: Belegt

Draußen war es empfindlich kalt geworden. Selbst für sie, die einiges gewöhnt war und sich nicht so schnell Frostbeulen holte, im Gegensatz zu ihren verwöhnten Genossen, die schon jammerten, wenn es zu regnen anfing, waren die Temperaturen zu niedrig.

Da war selbst ihr zu kalt und sie blieb nicht draußen in ihrem Bau mit der kuscheligen Weihnachtsmütze, die absolut nicht wärmte, sondern stattete ihren Genossen einen längeren Besuch ab. Diese Langweiler waren schließlich ihre Familie.

Sie hatte ganz vergessen, wie mollig warm es hier drinnen war. Herrlich!

Kaninchen Hoppel-Knickohr streckte sich ausgiebig und putzte sich ihre Ohren. Man musste schön aussehen, dann endete man nicht als Kaninchenbraten. Davon abgesehen war sie viel zu zäh.

Schnell auf ihren Platz, der hoffentlich von keinem ihrer Genossen für sich beansprucht wurde. Erst vor Kurzem hatte sie allen klar gemacht, dass sich dort niemand breitzumachen habe. Einen besonders uneinsichtigen Genossen hatte sie durch den ganzen Stall gejagt bis er aufgegeben hatte. Im Ggegensatz zu ihren verwöhnten Genossen besaß sie Ausdauer.

Irritiert blieb Hoppel-Knickohr stehen und starrte auf die Stelle, die eigentlich ihr Ruheplatz war. Wieso war ihr Platz besetzt? Wer hatte das getan?

Wütend starrte sie die geschmückten Zweige an, die genau dort standen, wo sie sich gerade hatte ausstrecken wollen.

Das hatte dort nichts zu suchen! Das war ihr Platz!

Ihren Genossen hatte sie klarmachen können, dass sie sich von hier fernzuhalten hatten, nur den Zweibeinern war natürlich nicht bekannt, dass es sich um ihren Platz handelte, der nun von Tannengestrüpp und bunten Kugeln belegt wurde.

Das musste weg! Auf der Stelle! Wenn die anderen mitbekamen, dass sie einfach klein beigab, hätte sie ihr Ansehen bei ihnen verspielt.

Mit ihren scharfen Vorderzähnen zerrte sie an einer Tannenspitze, doch ihre Kraft reichte nicht aus, um das Weihnachtsgesteck von ihrem Platz zu zerren. Vielleicht würde es leichter sein, wenn sie weiter oben reinbiss.

Hoppel-Knickohr stellte sich auf ihre Hinterbeine und zog an einem höher gelegenen Ast. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und fiel rücklings, den Ast noch immer fest mit ihren Zähnen umklammert, dass das Weihnachtsgesteck sich von seinem Platz löste und auf sie fiel.

Mühsam gelang es ihr, sich von den Tannenästen und bunten Kugeln zu befreien. Von ihren Genossen hatte ihr natürlich niemand geholfen. Na, das würde sie diesen heimzahlen, wenn die Gelegenheit günstig war.

Ihr schönes seidenglattes Fell war durch jede Menge Nadeln verunstaltet worden. Sie würde sich erst einmal ausgiebig putzen müssen bis sie wieder vorzeigbar war. Wie gut, dass sie sich im Stall befand, sonst hätte sie jetzt hierherflüchten müssen, damit niemand sie sah. Die Schmach blieb ihr erspart.

Ihr schöner Platz war nicht mehr belegt. Jetzt schnell hin, bevor noch jemand anderes auf die Idee kam und sich dort breit machte. Da legte nur sie sich hin und genoss die Wärme des Stalls. Dieses Tannengestrüpp würde hoffentlich verschwinden.

(Helen Hoffmann)

Adventskalender 20. Dezember – Bloß nicht das falsche Papier

Wo waren nur die Rollen Geschenkpapier, die sie vor vier Wochen gekauft hatte? Wieso lagen die nicht im Schrank, wo die anderen Rollen lagen?
Stimmt, die hatte sie ins Arbeitszimmer gestellt, weil dort auch die ganzen Geschenke versteckt waren. Hätte sie sich früher daran erinnert, wären nicht wertvolle Minuten für die Suche draufgegangen. Das musste sie jetzt wieder aufholen, bevor Janina, Marcel und Thomas aus der Schule kamen.
Jedes Jahr dasselbe. Wenige Tage vor Weihnachten musste sie die Geschenke einpacken. Matthias könnte das auch machen, aber er stellte sich so ungeschickt an, dass alles zerknickt und zerknittert war und sie neues Papier von der Rolle abschneiden musste, weil das unbrauchbar geworden war.
Ihr Mann hatte letztes Jahr die furiose Idee gehabt, das Geschenkpapier zu recyceln und dieses Weihnachten erneut zu benutzen. Deshalb hatte letztes Jahr auch nichts mit Tesa verpackt sein dürfen, sondern nur mit Bändern. Die sollten natürlich auch wiederverwendet werden. Man konnte es mit dem Geldsparen auch übertreiben. Ihre Kinder hatten trotz fehlender Klebestreifen beinahe jede Papierverpackung eingerissen oder so zerknickt, dass es nicht einmal beim Bügeln glatt wurde.
Lieber kaufte sie neue Geschenkpapierrollen und zog damit den Zorn ihres Mannes auf sich. Dafür hatte sie für jedes ihres Kinder eine Rolle Geschenkpapier mit den Motiven gekauft, die sie am liebsten mochten. Winnie Puh für Marcel, Frozen für Janina und Star Wars für Thomas.
Sie liebten diese Sachen, obwohl sie keinen dieser Filme gesehen hatten und auch sonst nichts dergleichen ihnen davon geschenkt worden war. Zwar wünschten sie sich Tassen, Kleidung, Bettzeug oder sonstigen Nippes mit Motiven ihrer Lieblingssachen, aber sie bekamen es nicht. Das war alles völlig überteuert. Außerdem würden sie daran vielleicht zwei Jahre interessiert sein, aber dann hatte etwas anderes ihr Interesse geweckt. Bei Thomas war das vielleicht etwas anderes, aber Janina und Marcel waren noch zu jung, um sich wirklich auf etwas festzulegen.
Es wurde nicht viel geschenkt, aber es genügte ihren Kindern. Es gab immer etwas Nützliches und dann etwas, was sie sich gewünscht hatten. Nur eben keine Sachen mit denen Kindern geködert werden sollten.
Wozu hatte man sie so erzogen, dass sie alles mögen durften, wenn ihnen im Kindergarten oder später in der Schule vorgeschrieben wurde, was sie toll zu finden hatten? Das war eine verkehrte Welt.
Was hatte sie jetzt in das Star Wars-Papier eingepackt? Die Geschenke von Thomas lagen noch neben dem Schreibtisch. Marcels Schuhe waren das. Nein, das ging nicht. Der konnte damit nichts anfangen und wollte seinen Tigger haben.
Also alles noch einmal auspacken und neu verpacken. Was war das alles schwierig. Bloß nicht die Geschenke und das dazugehörige Papier verwechseln. Das könnte nicht nur zu Verwechslungen beim auspacken, sondern auch zu Tränen führen. Das war das letzte, was sie wollte.
(Helen Hoffmann)