Maskenball – Minutengeschichte

Endlich ging es wieder los. Nach den vielen Wochen, wo sich kein Besucher bei ihnen hatte blicken lassen, würden sie nun endlich wieder kommen. Elefantin Gisela hatte sich sofort auf ihren Platz gestellt, um jeden zu begrüßen, der den Weg hinaufkam. Die anderen hielten sich im Hintergrund auf, trauten der Sache nicht ganz. Nachher stimmte das wieder nicht und sie würden nur ein weiteres Mal enttäuscht werden wie schon vor einigen Tagen, wo es bereits geheißen hatte, die Leute würden wiederkommen und dann hatte wieder nur gähnende Leere geherrscht. So langsam machte das buddeln nach Möhren keinen Spaß mehr. Abwechslung musste her, die ihnen die Besucher brachten.
Gisela starrte die ersten Besucher an, die kamen. Irgendwie sahen die seltsam aus. Was trugen die da im Gesicht? Tücher? War zur Feier der Wiedereröffnung ein Maskenball angesagt? Die sahen alle komisch aus – zum fürchten.
„Guck mal, da kommt Darth Vader“, sagte Rupa und kommentierte die breite vorstehende Maske eines Besuchers.
„Nee, das ist ein Sturmtrooper“, meinte ihr Bruder. „Darth Vader hat eine schwarze Maske.“
„Die hat er eben zu heiß gewaschen und daraufhin ist die Farbe ausgeblichen.“
„Dann hätte er eine graue Maske und die ist weiß.“
„Du weißt nicht mal, wie eine Waschmaschine funktioniert.“
„Habe ich oft genug gesehen. Wird etwas zu heiß gewaschen, läuft es ein.“
„Das ist trotzdem eine Darth Vader-Maske. Hast du nicht aufgepasst wie die aussieht?“
„Aber die ist nicht weiß.“
„Wenn Emma die Besucher wieder mit Sand bewirft, war die mal weiß.“
„Für mich ist das ein Sturmtrooper“, beharrte ihr Bruder auf seiner Meinung.
„Euch hätte man nicht erlauben dürfen, Krieg der Sterne zu gucken. Das ist nichts für Pupsködel wie euch. Dafür seid ihr noch zu klein“, sagte Else, die sich beim ansehen der Filme oft gegruselt hatte.
„Wieso? Dank Krieg der Sterne weiß ich jetzt, wie Politik funktioniert. Ich könnte der selbstverliebten Föhnwelle aus Übersee ein paar gute Tipps geben.“
„Der weiß selbst am besten wie der Hase läuft, da kann er auf deine Ratschläge gut verzichten“, meinte Else.
„Der macht sowieso nur das, was er selbst für richtig hält und womit er glänzen kann“, sagte Darjeeling
„Dann soll er Glanzhaarspray benutzen“, mischte Astrid sich ein.
„Guck mal, da hat jemand seine Kittelschürze zu einer Maske umfunktioniert“, sagte Rupa und meinte ein blaues Blumenmuster.
So ganz verstanden die Geschwister nicht, warum die Besucher mit bunten Tüchern vor ihren Gesichtern herumliefen, aber es war mal was anderes. Was das bloß zu bedeuten hatte? Dann standen die auch noch so weit auseinander. Sehr merkwürdig.
„Hilfe!“, hörten sie auf einmal Else ängstlich trompeten. „Ich dachte, den Geisterelefanten würde es nicht geben. Ich habe mich getäuscht. Er existiert wirklich!“
Die Elefantin lief mit abstehendem Schwanz weg, um sich in Sicherheit zu bringen.
Rupa und Darjeeling sahen sich an und wussten nicht, was Else gemeint hatte. Die war schon immer etwas eigenartig gewesen, aber das kannten sie noch nicht von ihr.
Die Geschwister sahen in die Richtung, wo Else den vermeintlichen Geisterelefanten gesehen zu haben glaubte und zuckten zusammen. Da kam tatsächlich die Gestalt aus den Gruselgeschichten, die ihnen Betty erzählt hatte. Es gab ihn wirklich!
„Das nächste Mal komme ich nicht, wenn man mich mit Presseaufnahmen lockt“, hörten sie den Geisterelefanten undeutlich sagen.
„Das ist Hilde“, sagte Darjeeling und fing zu glucksen an. „Die hat sich auch maskiert, um ein Sturmtropper zu sein.“
„Dabei gefiel ihr angeblich Krieg der Sterne nicht.“
Die alte Elefantin trug ein Tuch vor dem Maul und hatte ein weiteres um den Rüssel gebunden bekommen. Damit sah sie genauso wie die Zweibeiner aus, die an ihnen vorbeigingen. Mussten sie jetzt auch so was tragen oder wollte die alte Kuh sich wieder wichtig machen?
„Ich will kein Wort von euch hören“, sagte Hilde. „Wenn einer von euch lacht, bekommt er einen Tritt in den Hintern, dass er erst wieder in Hamburg auf dem Boden landet.“
„Wieso hast du dich so maskiert? Machst du bei einem Wettbewerb für die Wasserstadt mit?“, wollte Darjeeling wissen und musste sich zusammenreißen, um nicht loszulachen. Die alte Kuh sah zu komisch aus mit ihren Tüchern vor Maul und Rüssel. Wenigstens konnte sie ihm so nicht etwas wegfressen.
„Nee, ich soll Vorbild für unsere Besucher sein, damit diese alle Mund und Nase verhüllen. Man hat Fotos mit mir gemacht. Dafür hätte man auch Rupa nehmen können. Auf diesen Ruhm kann ich verzichten.“
„Wer? Ich? Mit einem Tuch vor dem Maul kann man doch nicht fressen. Ich muss meine Figur halten.“
Hilde versuchte, das Tuch um ihren Rüssel loszuwerden. Aber es war so festgebunden, dass sie es nicht einfach abstreifen konnte. Da hatten ihre Betreuer ganze Arbeit geleistet. Mist!
„Wieso tragen unsere Betreuer keinen Gesichtsschutz?“, wollte der Stoßzahnpieker wissen.
„Die halten Abstand. Würdest du sie ernst nehmen, wenn sie so was vor dem Gesicht trügen?“
„Ich nehm die nie ernst“, kam es von Astrid.
Hilde ließ den Einwurf der verrückten Nuss unkommentiert. Die hatte wieder einmal nicht verstanden, dass sie auf ihre Frage keine Antwort hatte haben wollen.
„Ach, machst du auch bei dem Maskenball mit?“, fragte Gisela.
„Nee, aber du kannst das gerne für mich übernehmen.“
„Ich habe eine Tuchallergie, da geht das nicht. Steht dir gar nicht schlecht. So nimmst du vielleicht ein paar überflüssige Pfunde ab.“
„Sieh in den Teich, wer von uns beiden mehr auf den Knochen hat.“
Hilde war es gelungen, das Tuch vom Rüssel abzustreifen. Schnell fummelte sie so an dem Tuch vor ihrem Maul herum, dass sie es zurückschieben konnte und nun wieder problemlos etwas fressen konnte. Sollten die Zweibeiner mit so was herumlaufen, aber sie brauchte so etwas nicht. Das würde sie nicht einmal tragen, wenn es einen Maskenball-Wettbewerb geben würde. Wie sollte sie denn mit einem Tuch vor dem Maul fressen? Wenn man einen Schlitz reinschneiden würde, könnte man noch mal darüber reden.
(Helen Hoffmann)

Adventskalender 20. Dezember – Bloß nicht das falsche Papier

Wo waren nur die Rollen Geschenkpapier, die sie vor vier Wochen gekauft hatte? Wieso lagen die nicht im Schrank, wo die anderen Rollen lagen?
Stimmt, die hatte sie ins Arbeitszimmer gestellt, weil dort auch die ganzen Geschenke versteckt waren. Hätte sie sich früher daran erinnert, wären nicht wertvolle Minuten für die Suche draufgegangen. Das musste sie jetzt wieder aufholen, bevor Janina, Marcel und Thomas aus der Schule kamen.
Jedes Jahr dasselbe. Wenige Tage vor Weihnachten musste sie die Geschenke einpacken. Matthias könnte das auch machen, aber er stellte sich so ungeschickt an, dass alles zerknickt und zerknittert war und sie neues Papier von der Rolle abschneiden musste, weil das unbrauchbar geworden war.
Ihr Mann hatte letztes Jahr die furiose Idee gehabt, das Geschenkpapier zu recyceln und dieses Weihnachten erneut zu benutzen. Deshalb hatte letztes Jahr auch nichts mit Tesa verpackt sein dürfen, sondern nur mit Bändern. Die sollten natürlich auch wiederverwendet werden. Man konnte es mit dem Geldsparen auch übertreiben. Ihre Kinder hatten trotz fehlender Klebestreifen beinahe jede Papierverpackung eingerissen oder so zerknickt, dass es nicht einmal beim Bügeln glatt wurde.
Lieber kaufte sie neue Geschenkpapierrollen und zog damit den Zorn ihres Mannes auf sich. Dafür hatte sie für jedes ihres Kinder eine Rolle Geschenkpapier mit den Motiven gekauft, die sie am liebsten mochten. Winnie Puh für Marcel, Frozen für Janina und Star Wars für Thomas.
Sie liebten diese Sachen, obwohl sie keinen dieser Filme gesehen hatten und auch sonst nichts dergleichen ihnen davon geschenkt worden war. Zwar wünschten sie sich Tassen, Kleidung, Bettzeug oder sonstigen Nippes mit Motiven ihrer Lieblingssachen, aber sie bekamen es nicht. Das war alles völlig überteuert. Außerdem würden sie daran vielleicht zwei Jahre interessiert sein, aber dann hatte etwas anderes ihr Interesse geweckt. Bei Thomas war das vielleicht etwas anderes, aber Janina und Marcel waren noch zu jung, um sich wirklich auf etwas festzulegen.
Es wurde nicht viel geschenkt, aber es genügte ihren Kindern. Es gab immer etwas Nützliches und dann etwas, was sie sich gewünscht hatten. Nur eben keine Sachen mit denen Kindern geködert werden sollten.
Wozu hatte man sie so erzogen, dass sie alles mögen durften, wenn ihnen im Kindergarten oder später in der Schule vorgeschrieben wurde, was sie toll zu finden hatten? Das war eine verkehrte Welt.
Was hatte sie jetzt in das Star Wars-Papier eingepackt? Die Geschenke von Thomas lagen noch neben dem Schreibtisch. Marcels Schuhe waren das. Nein, das ging nicht. Der konnte damit nichts anfangen und wollte seinen Tigger haben.
Also alles noch einmal auspacken und neu verpacken. Was war das alles schwierig. Bloß nicht die Geschenke und das dazugehörige Papier verwechseln. Das könnte nicht nur zu Verwechslungen beim auspacken, sondern auch zu Tränen führen. Das war das letzte, was sie wollte.
(Helen Hoffmann)

#Autorenwahnsinn Tag 8 – Dein Sommer-Soundtrack

Gibt es ein Lied, das ich diesen Sommer unbedingt immer wieder hören muss oder das mir nicht aus dem Kopf geht? Nein, kann ich nicht sagen. Zwar kommt mir manchmal ein Lied in den Sinn, was mich dann den ganzen Tag oder auch den nächsten begleitet, aber das würde ich nur als Ohrwurm bezeichnen, der mir im Kopf herumspukt und ganz schnell wieder verschwunden ist.
Früher habe ich beim Schreiben immer Musik gehört. So gibt es eine Version des Liedes „Phantom of the Opera“, das ich mit einem Roman verbinde. Immer wenn ich das Lied in genau dieser Version höre, muss ich an diesen Roman denken und umgekehrt, wenn ich in diesem Roman lese, fällt mir das Lied wieder ein.
Inzwischen stört mich Musik beim Schreiben, weil ich manchmal komplizierte Dinge schreiben muss und da keine Ablenkung gebrauchen kann. Instrumental-Musik ist noch etwas anderes. Dazu zähle ich Filmmusik wie klassische Musik, wo ich ein großes Repertoire habe. Das kann man auch mal so beim Schreiben anmachen, allerdings höre ich von jeder Filmmusik meist nur ein oder zwei Stücke, weil ich die am interessantesten finde. Nur bei Star Wars, habe eine eine Playlist mit allen sieben Episoden. Ich kann sagen, die Musik besser zu kennen als die Filme.
Beim Abtippen habe ich Hörbücher an. Da stört es mich nicht, wenn etwas gesprochen wird. Außer ich bin gerade an einer Szene, die verändert werden muss, dann mache ich die Hörbücher aus.
Es gibt Menschen, die haben für jeden Monat des Jahres eine eigene Playlist. Ich habe nur eine, die ich rauf und runter hören könnte, wenn ich wollte, denn sie vereint meine Lieblingssongs. Aber manchmal will ich auch nur ein ganz bestimmtes Lied hören.
Dennoch ist es beim Schreiben so, dass ich lieber meine Ruhe habe, sonst verfliegen Wörter, bevor ich sie aufgeschrieben habe und das will ich nicht.
(Helen Dalibor)