#OktoberGeheimnisse Tag 29 – Glaubst du, dein Autor würde sich zu einem anderen Genre überreden lassen?

Klaro! Helen schreibt nicht nur Thriller. Als sie richtig mit dem Schreiben begann, da war ihr erstes Projekt ein Krimi. Den hat sie immer noch in der Schublade liegen, aber bereits angefangen, ihn zu überarbeiten. Ich glaube aber, das wird noch ein paar Jahre dauern bis sie damit fertig sein wird. Eine weitere Idee für einen Krimi hat sie auch schon. Hat etwas mit einem Ereignis in der Zukunft zu tun, aber da darf ich nichts weiter verraten, sonst krieg ich was auf die Ohren.
Mit Fantasy tut sie sich auch nicht schwer, obwohl ich das nun gar nicht mag. Wer liest denn so was? Ach ja, Karla, aber die zählt nicht. Ist gar nicht böse gemeint, aber bei Büchern hat sie einfach keinen Geschmack. Na gut, Stephen King mal ausgenommen.
Ich habe mal versucht die Game of Thrones-Reihe zu lesen. Ich fand das so langweilig! Aber der Herr der Ringe finde ich auch nicht besser. Ich mag das Genre nicht, aber wenn Helen da auch was schreiben will, soll es mir recht sein. Ich werde es aber nicht lesen.
Ihr Lieblingsgenre ist eigentlich neben dem Thriller-Grenre das Historische. Sie schreibt aktuell auch an etwas Historischem, wobei ich die Zwanziger Jahre noch recht aktuell finde, als wären sie gerade erst vorbei. Aber alles, was nicht länger als Hundert Jahre alt ist, finde ich eben nicht alt. Sie mag das Projekt, welches sie KOLGOMOROW nennt und wo es um einen Schauspieler aus der Stummfilmzeit geht. Da kann sie sich mit Mona zusammentun, die ist gerade beleidigt, weil ein Kino nicht einen Film zeigt, auf den sie gehofft hat. Man kann eben nicht alles haben. Aber zwei vollgeweinte Packungen Taschentücher sind auch wirklich genug, das reicht mir noch vom letzten Mal.
Von mir aus, kann Helen gerne ein anderes Genre noch nehmen, solange sie mich nicht vernachlässigt. Ansonsten verbiete ich ihr das! Haben wir uns verstanden, Helen?
(Helen Dalibor)

8. Kapitel

Hamburg-Stellingen
Isis saß im Wohnzimmer, den Laptop vor sich und haute mit den Fingern auf die Tastatur ein, als habe die Anschlagsquote eine neue Bedeutung bekommen. Links und rechts neben ihr stapelten sich kleine dünne Heftchen, denen sie momentan keine Beachtung schenkte. Ihr Blick war starr auf den Bildschirm gerichtet. Ihr Gesicht zeigte nur eine Regung, wenn ihre Suche wieder erfolglos gewesen war.
Eine junge Frau, im gleichen Alter wie Isis, war in den Raum getreten und sah kopfschüttelnd zu ihrer Freundin. Scherzhaft hielt sie sich die Ohren zu, als Isis für einen kurzen Augenblick aufsah. Sie wollte mit dieser Geste verdeutlichen,  wie laut Isis war. Doch ihre Freundin sah sie nicht.
„Warum malträtierst du deine Tastatur? Die kann doch nichts dafür, wenn die Suchmaschine nicht das ausspuckt, was du suchst. Oder brauchst du einen neuen Laptop? Dafür mußt du deinen eigenen aber nicht zerstören, um an dein Ziel zu kommen.“
„Wozu ist denn eine Suchmaschine sonst da?“ Isis hatte ihrer Freundin nur halb zugehört.
„Um dir Webseiten zu einem Thema anzuzeigen, daß du eingegeben hast. Aber wenn die Eingabe deiner Schlagwörter zu unpräzise war, bekommst du nur Schrott angezeigt. Mach mal Pause, vielleicht kommt dir dann der rettende Einfall.“
„Halt die Klappe, Karla!“, wütend tippte Isis eine neue Kombination ein, doch wieder kam nicht das, was sie sich erhofft hatte. Als sie drei Seiten der Suchergebnisse durchgegangen war, haute sie wütend den Bildschirm auf die Tastatur und der Laptop ging automatisch in den Ruhezustand über.
„Wenn du deinen Laptop unbedingt zerstören möchtest, mußt du weitermachen. Du standest kurz vor dem Abschluß.“
„Entscheide dich! Erst soll ich eine Pause machen, dann meinen Laptop zerstören.“
„Du machst doch auch sonst nicht das, was ich dir rate.“
Isis sah zu Karla, die sich in Isis heiligen Fernsehsessel setzte, nachdem sie den Fernseher angemacht hatte. Das dritte Programm zeigte Regionalnachrichten.
„… der Mord an einem Juwelier bleibt weiterhin mysteriös. Gestohlen wurde weder Schmuck noch Bargeld. Es wird vermutet, daß die Tat von einem Unbekannten begangen wurde, der den Juwelier überfallen wollte. Doch als die Situation eskalierte, wurde der Juwelier erschossen und der Täter floh ohne Beute.“
Isis sah zum Bildschirm, als ihr auf einmal etwas ins Auge fiel, was ihre Aufmerksamkeit erregte.
„Standbild“, rief sie eilig, doch das Bild lief weiter. „Karla, was machst du denn da?“
Sie lief zu Karla und riß ihr die Fernbedienung aus der Hand, doch als sie den Knopf für ein Standbild gedrückt hatte und zum Bildschirm sah, hatte das Bild bereits gewechselt. Das Standbild zeigte den Moderator der Sendung. Wütend warf sie Karla die Fernbedienung zu.
„Du weißt doch, daß ich mit dieser Fernbedienung nicht zurechtkomme. Die bleibt mir suspekt“, entschuldigte sich Karla.
„So wie Mona, die neue Spülmaschine. Ihr könnt euch wirklich zusammen tun.“
„Mona ist nur faul.“
„Und du bist schwer von Begriff. Das war mir wichtig dieses Standbild. Aber wegen deiner Unfähigkeit habe ich es verpaßt.“
Erbost erhob sich Karla und funkelte Isis mit glühenden Augen an.
„Ich bin nicht von zu Hause zu dir gezogen, um mir diese Worte anhören zu müssen. Bevor du weiter so etwas sagst, solltest du lieber mal darüber nachdenken, wie du dich eigentlich uns gegenüber benimmst.“ Karla legte die Fernbedienung auf den Tisch, dann hielt sie inne. Ihre Wut war wieder verraucht. „Wenn du Glück hast, gibt es die Sendung in der Mediathek oder du wartest auf die Nachrichten um vier. Da läuft noch mal exakt das Gleiche wie eben.“
„Das will ich für dich hoffen.“
Isis konnte die Sticheleien nicht lassen. Immer wußte sie alles besser, ließ keine andere Meinung gelten als ihre und beleidigte ihre Freundinnen unentwegt. Wie oft hatten Karla und Mona es ihr schon heimgezahlt, doch Isis stichelte weiter. Nicht einmal die Drohung, Mona und Karla würden ausziehen, ließ sie einen Gang zurückschalten.
„Was willst du eigentlich mit diesen ganzen Schmierheftchen? Damit wirst du deine Doktorarbeit niemals schreiben können.“
Mit der Hand haute Isis Karla auf die Finger, als diese ein Heft hochnehmen wollte.
„Nicht mit deinen ungewaschenen Patschehändchen anfassen. Dafür gibt es Handschuhe. Ihr Chemiker tragt doch auch Handschuhe, wenn ihr experimentiert.“
„Selten, kommt auf den Versuch an. Wirst du auch nie lernen: Es heißt Versuch und nicht Experiment. Bei einem Experiment weiß man nicht, wie es ausgeht, bei einem Versuch ist das Ergebnis bereits bekannt. Natürlich nicht uns Studenten, sondern den Versuchsleitern.“
„Schon klar, aber diese Schmierheftchen, wie du sie nennst, sind beinahe 100 Jahre alt. Also nur mit Handschuhen anfassen. Ist das klar?“
„Wie immer!“ Isis konnte viel reden, wenn sie wollte. Ob sich jeder daran hielt, war eine andere Sache. Das mußte auch Isis wissen, denn mißtrauisch sah sie Karla an. Dann ging ihr Blick zu einer großen Schublade mit Schloß.
„Also schließe ich sie lieber weg. Ich will nicht noch Essensreste darauf wiederfinden. Oder noch schlimmer: Die Hefte sind von Cola oder sonst irgendeinem Klebezeug durchtränkt.“
Karla machte ein empörtes Gesicht. Das war eindeutig gegen sie gemeint.
„Für was hältst du mich?“
„Für ein pizzafressendes Wesen.“
„Vielen Dank, nun weiß ich endlich, was du über mich denkst. Das kann ich gleich in meinen Blog schreiben. Meine Freundin hält mich für einen Allesfresser, der die Wohnung vermüllt.“
„So lange du meinen Namen nicht erwähnst und ein Foto von mir ins Netz stellst, kannst du erzählen, was du willst. Nur mein eigenes Privatleben bleibt tabu.“
„Ich weiß, was du vom Web 2.0 hältst. Wir leben nicht im Mittelalter. Aber ich werde dich schon nicht erwähnen, da brauchst du keine Angst zu haben.“ Karlas Blick fiel auf die Namenszeile des zu oberst liegenden Heftchens. „Pascal Justine.“ Sie sprach den Nachnamen so aus, wie er auf der Heftzeile stand. Ein ziemlich moderner Vorname für die damalige Zeit.
„Jüstin“, sagte Isis und sprach den Namen mit weichem ‚j‘ französisch aus. „Und der Name tauchte in Frankreich schon Jahrzehnte früher auf als in Deutschland. In meiner Familie bekamen die männlichen Familienmitglieder französische Vornamen, um auf die französischen Wurzeln zu verweisen.“
„Justine? Aber du heißt doch Just, wie können deine Vorfahren dann Justine heißen?“ Karla verstand mal wieder überhaupt nichts. Zwar hatte sie sich immer gewundert, warum Isis‘ eigentlicher Vorname Mélanie immer ein Accenté Gue auf dem ersten ‚e‘ hatte, doch war es ihr so nebensächlich erschienen, da Isis diesen Namen nicht mochte und nur von ihren Eltern und den Lehrern so genannt wurde. Nach dem Abitur waren jetzt ihre Eltern die einzigen, die sie noch bei dem Namen nannten.
„Mein Großvater hat den Namen während der Dreißiger Jahre geändert, weil er Probleme fürchtete. Im Dritten Reich erschien ein französischer Name suspekt. Und um keine Probleme zu bekommen, hat er ihn in Just abgekürzt. Er hatte es nicht gewollt, da er den Namen seiner Mutter in Ehren hatte halten wollen. Doch indirekt ist er dazu gezwungen worden. „Mit dem Feind mache man keine Geschäfte“, hatte es geheißen. Noch kurz vor seinem Tod grämte er sich, daß er das getan hatte. Aber es ließ sich nicht mehr rückgängig machen.“
„Deutschland, deine Ämter. Ein Kampf, der nie enden wird.“
„Das erinnert mich mal wieder an die Uni. Das ist auch ein einziger Kampf.“
„So lange wir nicht in die Wallachei ziehen, können die sich die Köpfe einschlagen.“
„Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. In der Zeit solltest du dein Studium längst beendet haben. Oder willst du die letzte Diplom-Studentin werden? Der letzte Mohikaner sozusagen?“
„Ewig studieren ist nicht gut. Ich bin schon jetzt völlig verplant. So verlehrt wie ich jetzt bereits bin, sollte ich schnellstmöglich das Studium abschließen.“
„Es wundert mich immer wieder, daß du nicht nur in Formeln sprichst, wie Mona. Vor lauter Physik weiß man doch schon gar nicht mehr, was sie uns eigentlich sagen will.“
„Das weiß man bei dir auch nicht. Und du benutzt keine naturwissenschaftlichen Formeln.“
„Danke, du bist wieder so nett wie immer.“
Mit einem Stift öffnete Karla das zu oberst liegende Heft. Voller Vorfreude hatte sie es geöffnet, wie enttäuscht war sie, als sie die Schrift sah. Ein unleserliches Gekrakel. Sauber und ordentlich geführt, doch vollkommen unleserlich.
„Das kann man doch nicht lesen.“
Amüsiert verzog Isis ihren Mund.
„Ach, ich dachte, du könntest sämtliche Schriften entziffern. Hast du dich nicht immer in der Schule damit gerühmt?“
„Aber nicht diese Linien. Kann doch kein Mensch lesen.“
„Das ist die deutsche Schrift. So hat man damals vor knapp hundert Jahren geschrieben.“
„Und du kannst das lesen?“
„Es geht. Anfangs war es für mich auch nur ein Gekrakel aus Linien. Je länger ich mich damit befasse, desto vertrauter wird es. Aber meine Großmutter kann es besser lesen. Sie hat die Schrift in der Schule gelernt. Im Gegensatz zu uns.“
„Schön, wenn man Großeltern hat.“
„Wenn sie noch leben.“
Isis‘ Stimme war hart geworden, Trauer mischte sich darunter.
„Tut mir leid, ich habe deinen Großvater vergessen.“
Durch ein Nicken registrierte Isis die Entschuldigung, vertiefte sich aber sogleich auf ihre Internetsuche. Sie hatte den Laptop wieder angemacht. Doch wieder fand sie nichts. Wütend trommelte sie mit den Fingern auf die Tischplatte.
„Das muß ja was ungemein Wichtiges sein, wenn du so bei jedem Fehlversuch reagierst. Aber wenigstens läßt du deine Wut nicht mehr an deinem Laptop aus.“
Interessiert beugte sich Karla über Isis‘ Schulter und warf einen Blick auf den Bildschirm.
„Probier’s doch mal mit einer anderen Suchmaschine. So toll ist die Königin der Suchmaschinen nicht. Was suchst du eigentlich?“
„Eine alte Tonvase mit einer Kette. Irgendwo im Internet sollen die in einem Forum angeboten werden. Aber ich weiß nicht wo. Und diese blöde Suchmaschine sagt es mir nicht. Es ist zum Verzweifeln!“
„Du willst das haben oder wie verstehe ich das?“
„Exakt.“
Wieder tippte Isis etwas in das Suchfenster ein. Doch dieses Mal hatte sie die Bildersuche benutzt. Die ersten Bilder waren nicht das, was Isis suchte. Doch das zweite Bild in der letzten Reihe kam ihr bekannt vor.
„Jawohl!“, freute sie sich und klickte das Bild an. Schnell machte sich Enttäuschung breit, als sie nicht zum Beitrag weitergeleitet wurde, sondern eine Mitteilung auf dem Bildschirm erschien, daß sie kein Mitglied des Forum sei und diesen Beitrag nur sehen könne, wenn sie sich angemeldet habe.
„Da wirst du dich anmelden müssen.“
„Was du nicht sagst. Ich weiß schon gar nicht mehr in wie vielen Foren ich eigentlich angemeldet bin. Die meisten habe ich schon seit Jahren nicht mehr besucht. Weiß gar nicht, ob ich da überhaupt noch Mitglied bin.“
„Wohl eher nicht. Manchmal schicken sie dir auch Erinnerungsmails.“
„Egal, also werde ich mich erst einmal anmelden. Und du erinnerst mich um vier an die Lokalnachrichten.“
„Stell dir den Wecker.“
Doch Isis hörte sie schon gar nicht mehr. Völlig vertieft in ihre Anmeldung und mit den Gedanken bei den beiden Objekten, nahm sie nichts mehr um sich herum wahr. Wenn sie Glück hatte, würde sie schon bald stolze Besitzerin der Objekte sein. Dann konnte sie die Vase und die Kette besser untersuchen und vielleicht auch das Geheimnis klären, warum sie die Vase bereits einmal gesehen glaubte. Die Regierungszeit Echnatons war ihr vertraut, die typischen Darstellungen aus der Amarna-Zeit konnte sie sofort erkennen. Doch die Vase, obwohl sie Züge der Amarna-Zeit trug, war ihr unbekannt und dennoch vertraut.