#charaktersofseptember Tag 7 – Wie reagierst du auf Lob und Kritik?

Kritik mag ich überhaupt nicht, aber so geht es sehr wahrscheinlich den meisten Menschen. Ich habe mir angewöhnt, mich nicht dafür zu interessieren, wenn ich kritisiert werde. Ich lese also keine Kritiken über meine Sachbücher, die ich herausgebe, oder sehe mir an, wie mich meine Studenten bewerten. Da halte ich es wie der emeritierte Papst. Dieser hat die Kritiken über sich auch nie gelesen – sagt man ihm zumindest nach.
Natürlich könnte ich die Kritiken lesen, um so an mir zu arbeiten und mich zu verbessern, aber ich kann es nicht jedem Recht machen, weshalb ich es lieber sein lasse.
Was mache ich mich also verrückt? Nein, ich lasse es lieber sein.
Kritik von Karla und Mona nehme ich hingegen an und versuche auch, das Gesagte ernstzunehmen. Wenn Oliver was sagt, dann höre ich eher weniger drauf, denn der ist momentan nicht ganz zurechnungsfähig, wie ich sage. (Das hat er jetzt hoffentlich nicht gehört)
Lob kann man natürlich nicht genug bekommen. Da höre ich gerne und läuft mir runter wie Öl. Aber wenn ich andauernd gelobt werde, geht mir das ziemlich auf die Nerven, denn ich weiß, was ich kann. Wenn ich dann immer wieder für etwas Bestimmtes gelobt werde, ist das ein Zeichen für mich, dass man mir das eigentlich nicht zugetraut hat und das empfinde ich dann wieder als Kritik.
Man kann mich loben, muß es aber nicht tun. Ich finde es nicht schade, wenn man es unterlässt. Da bin ich vielleicht anders als andere, aber ich weiß eben, was ich kann. Natürlich ist das Lob am Ende eine Bestätigung meiner Arbeit, aber ich bilde mir nichts darauf ein, auch wenn ich mich darüber freue.
(Helen Dalibor)

#Autorenwahnsinn Tag 5 – Urlaub mit deinen Protagonisten

Wo würde ich mit Isis Just Urlaub machen wollen? In den Bergen? Nein, daß ist nichts für Isis. Da könnte eine Lawine losgehen, ob nun Stein- oder Schneelawine ist völlig egal. Man muss sich nicht extra dem Risiko aussetzen, wenn es auch anders geht.
Ans Meer? Da langweilt man sich nur und bekommt einen Sonnenbrand. Tja, was bleibt da übrig?
Natürlich, Ägypten. Da könnten wir am Totentempel der Hatschepsut gegenseitig aus unserem Wissensschatz schöpfen, den Tempel von Karnak unsicher machen und das Luxor-Museum besuchen, was wir beide noch nicht kennen.
Aber es gibt noch einen weiteren Ort, den Isis und ich aufsuchen könnten und den wir auch bestimmt aufsuchen würden. Wir würden nach Belgien fahren und dort Europas klügsten Elefanten besuchen. Mala würde sich über unseren Besuch freuen, außerdem könnten Isis und ich uns dort gleich ein paar Ruinen widmen, wo es bestimmt etwas außergewöhnliches zu entdecken gibt – und das ist kein großer Panda, der eine Rutsche benutzt.
Mit Mona würde ich einen Besuch in Frankreich, um auf den Spuren des Moschusochsen unterwegs zu sein. Marseille, Nizza und schließlich Paris, wo sich sein Grab befindet. Dazu noch ein Besuch in der Cinématique Francaise, wo wir vielleicht Glück haben und es läuft tatsächlich ein Film mit ihrem Lieblingsschauspieler.
Bei Karla ist es wirklich schwierig, weil ich mir bei ihr wirklich noch nicht Gedanken darüber gemacht habe, wo ich mit ihr verreisen würde. Bei ihrem Vorbild wüsste ich es, aber da ich Karla diesen Punkt nicht gegeben habe, fällt das aus. Tja, was fällt mir da jetzt ein? Ein Strandurlaub, den ich aber nur im Schatten verbringen werde und an meinem aktuellen Projekt schreibe.
(Helen Dalibor)

Mit Isis Just nach Ägypten. Hier ist der Totentempel der Hatschepsut zu sehen: Djeser Djeseru – das Göttliche des Göttlichen

Im Zeichen des Denkmals – Die ersten 10 Kapitel sind kostenlos als ebook erhältlich

Gestern wurden die ersten zehn Kapitel von „Im Zeichen des Denkmals“ als kostenlose Leseprobe bei Neobooks eingestellt. Wer mag, kann sich bereits ein erstes Bild machen, wie der Thriller sein wird. Es sind leider nur die ersten zehn Kapitel, denn man will nach dem letzten Satz wissen, wie es weitergeht. Doch bis dahin muss man sich noch ein wenjg gedulden. Im November wird „Im Zeichen des Denkmals“ als ebook erscheinen.
Der Prolog ist übrigens tatsächlich geändert worden. Wie von den vorherigen Isis-Just-Abenteuern gewohnt, beginnt auch dieses mit der Vergangenheit, um dann in die Zukunft zu wechseln.
Und hier noch der Link zur kostenlosen Leseprobe: IM ZEICHEN DES DENKMALS

Wem die Leseprobe gefallen hat, kann eine Bewertung schreiben und wem sie nicht gefallen ha, darf natürlich auch sagen, warum es nicht gefiel. Außerdem darf man gerne weitere Leute auf diese Leseprobe aufmerksam machen.

9. Kapitel

Die Zeitung berichtete am nächsten Tag ausführlich über den Mord an dem Juwelier. Isis überflog den Artikel desinteressiert. Die Kette, die gestern noch als mögliches Diebesgut gehandelt wurde, war mit keinem Wort erwähnt worden. Waren die Ermittler zu der Überzeugung gekommen, daß daß Schmuckstück nichts mit dem Mord zu tun hatte? Es waren nur Fotografien gewesen. Vielleicht hatte sich die Kette nie in dem Besitz des Juweliers befunden. Möglicherweise hatte jemand, vielleicht die Person, die im Internet beide Gegenstände anbot, die Kette dem Juwelier zur Ansicht gegeben, um sie schätzen zu lassen. Aber warum hatte der Juwelier dann Fotos gemacht? Das ergab doch alles keinen Sinn.
Die Kette sollte geschätzt werden und der Juwelier fertigte Fotografien an. Dieses Vorgehen erschien ihr äußerst rätselhaft. Darum sollte sich die Polizei kümmern. Vielleicht könnte die das Rätsel lösen.
Isis beschäftigte im Moment vielmehr, wie hoch sie ihr Gebot setzen sollte, um wirklich den Zuschlag für die Kette und die Vase zu erhalten. Mona hatte sie gewarnt, das Gebot nicht über ihren heimischen Internetanschluß abzugeben, da es durch die IP-Adresse zurückzuverfolgen sei. Für diesen Tip war Isis dankbar, da sie an so etwas nicht gedacht hatte und gewiß die Möglichkeit bestünde, daß die Polizei eingeschaltet würde. Wenn Prof. Winter den Zuschlag nicht bekäme, würde er so handeln, Isis kannte ihn. Und wenn sich dann im Laufe der Ermittlungen herausstellte, daß sie die Gegenstände ersteigert hatte, würde sie nicht nur ihre Stelle an der Uni verlieren, die ohnehin nicht fest und nur befristet war, sondern für alle Zeiten gebrandmarkt sein. Sie mußte anonym bleiben. So konnte sie in aller Ruhe sich die beiden Objekte ansehen. Später könnte sie immer noch sagen, daß die beiden Objekte in ihren Besitz übergegangen waren, doch erst einmal mußte sie sie wissenschaftlich untersuchen. Sie mußte klären, was sie an beiden Gegenständen so faszinierte.
Stellte sich nur noch die Frage, wie viel sie bieten mußte, um den Zuschlag zu erhalten. Sie hatte ihre Ersparnisse gezählt, die sie im Bankschließfach aufbewahrte. Knapp siebentausend Euro waren es. Geld, das sie sich einmal im Jahr ansah, etwas dazulegte und dann wieder zurücklegte. Falls sie unerwartet sterben sollte, würde das Finanzamt sich freuen. Kleinvieh machte auch Mist. Das Geld war für Notfälle gedacht. Anfangs hatte sie es auf einen Laptop gespart. Nachdem sie einen tragbaren Computer geschenkt bekommen hatte, auf eine Reise und schließlich auf ein Auto. So war der Geldbetrag langsam aber stetig angewachsen. Kein Vermögen, das sie angehäuft hatte. Das wirkliche Vermögen, das Erbe ihres Großvaters, befand sich in einer großen Truhe. Kein Geld oder Schmuck, sondern jede Menge Tagebücher.
Im Augenblick war Isis gerade dabei die Tagebücher chronologisch zu ordnen. Die Arbeit war recht simpel, im Vergleich zu dem, was ihr noch bevorstand: Die Inhalte der Tagebücher zu lesen. Altdeutsche Schrift, Sütterlin, so hatte man teilweise noch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben, doch seitdem benutzte man die Schrift, mit der Isis aufgewachsen war. Die lateinische Schrift, die sich aus dem griechischen Alphabet entwickelt hatte. Nur die gedruckte Frakturschrift konnte Isis noch lesen und natürlich die Hieroglyphen. Und wenn sie es recht bedachte, dann war die altdeutsche Schrift nichts anderes als das hieratische. Die Schreibschrift der Hieroglyphen. Auch nicht leicht zu lesen, doch mit einiger Übung war dies kein Problem. Karla hatte Recht, wenn sie sagte, die altdeutsche Schrift bestehe nur aus Linien. Mehrere Male hatte Isis bereits versucht die Einträge zu lesen, doch gelang es ihr nur in einzelnen Passagen. Sie mußte ihre Großmutter um Hilfe bitten, die Texte für sie zu transkribieren.
Über sechstausend Euro hatte sie beiseite gelegt. Viel Geld für Isis und noch viel mehr für Karla oder Mona. Und dieses kleine Vermögen wollte die junge Ägyptologin nicht ganz ausgeben. Für etwas, von dem sie nicht wußte, ob es überhaupt etwas wert war. Wenn sie es recht bedachte, wollte sie für die Gegenstände gar kein Geld ausgeben, nicht einen Cent. Sie hing an jedem einzelnen Euro. Nicht das sie geizig war, aber sie überlegte so lange das Für und Wider einen gewissen Geldbetrag auszugeben, bis es das Angebot nicht mehr gab.
Etwa 3500 Euro konnte sie erübrigen, für eine Weile. Sie konnte nur hoffen, daß der Betrag ausreichen würde, damit sie den Zuschlag erhielte.
Am Nachmittag wollte sie einen öffentlichen Internet-Terminal aufsuchen, eine neue Email-Adresse einrichten und dann ihr Gebot abschicken, nachdem sie sich bei dem Forum angemeldet hatte. Zwar hatte sie sich bereits mit einer ihrer vielen anderen Email-Adressen bereits bei dem Forum angemeldet, doch den bereits eingerichteten Account wollte sie wieder löschen, um einen neuen Benutzernamen einzurichten. Niemand sollte die Spur zu ihr zurückverfolgen können. Karla ging bei so etwas weit nachlässiger um, stellte sogar Fotos von sich ins Internet. Mona fing damit auch an, zwar nur in StudiVZ und nur ihre virtuellen Freunde konnten diese Bilder sehen, doch selbst das hielt Isis für höchst gefährlich.
Einmal hatte Karla ungefragt Bilder von sich und anderen ins Internet auf ihre Blogseite gestellt, ohne sich dabei was zu denken, ob jedem der Abgebildeten dies auch recht war. Und so hatte einer ihrer Freunde ihr sogar einen Prozeß angedroht, wenn sie nicht augenblicklich die Bilder zu entfernen gedachte, wo er drauf abgebildet war. Gernervt hatte sie die ganze Seite geschlossen, doch irgendwo im virtuellen Netz war diese Seite bereits für Jahre gespeichert worden. Nichts ging im Internet verloren, auch wenn man es von seiner eigenen Seite entfernte und löschte. Irgendwo war es noch. Isis war sich dieser Gefahr bewußt und hatte ihren Freundinnen schon vor Jahren eingeschärft, keine Bilder online zu stellen, wo sie drauf abgebildet war, nicht einmal in einen paßwortgeschützten Bereich. Bis jetzt hielten sich alle daran. Und da meist Isis die Fotos machte, war sie kaum auf einem Bild zu sehen, außer sie machte in Selbstporträt, was höchst selten vor kam.
Jeder Nutzer hinterließ Spuren im Internet und die versuchte Isis, so gut sie konnte, zu verwischen. Sie nutzte ihre Email-Adresse mit den Initialen ihres vollständigen Namens nur bei geschäftlichen und offiziellen Anlässen. Von der Universität hatte sie ebenfalls eine bekommen. Sie war frei im Netz verfügbar und stand auch am Ende des Vorlesungsverzeichnisses. Für Studenten und Professor Winter war sie auf diesem Weg erreichbar. Täglich mußte sie diesen ungeliebten Account öffnen und die blödesten Fragen von Studenten beantworten. Sogar von Mr. Filly war ganz zu Beginn ihrer Arbeit eine Mail in ihrem virtuellen Postfach gewesen. Ungelesen hatte sie diese gelöscht und seitdem nie mehr etwas von ihm gehört. Inzwischen hatte sie es sich sogar zu Eigen gemacht, nur noch die Emails von Professor Winter zu lesen und die der Studenten nur alle paar Tage. So wichtig waren die nun auch wieder nicht. Weder ihre Privat- noch ihre berufliche Email-Adresse gab sie weiter. Denn Isis hatte eine Menge anderer Email-Adressen, die sie häufig nutzte. Ein Spuren-Verwischungs-Programm nutzte sie nicht, obwohl sie immer überlegte, ob sie nicht doch eines installieren sollte. Aber ihr erschienen diese Programme suspekt und sie vertraute ihnen nicht, auch wenn sie mit ihnen anonym im Internet ihre Angelegenheiten erledigen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. Aber irgendwie würde sie auch mit den Programmen Spuren hinterlassen, dessen war sie sich sicher.
Bis zum Nachmittag mußte sie noch warten. Sie konnte nur hoffen, daß der Anbieter der beiden Objekte nicht bereits einen Zuschlag ausgesprochen hatte. Dann wäre sie zu spät gekommen und die beiden Gegenstände würden irgendwo für immer verschwinden und sie hätte keine Möglichkeit mehr sie zu untersuchen.
Und das war ihr so wichtig. Irgend etwas sagte der jungen Ägyptologin, das der Krug ein Geheimnis barg, daß den Lauf der Geschichte deutlich beeinflussen würde.

8. Kapitel

Hamburg-Stellingen
Isis saß im Wohnzimmer, den Laptop vor sich und haute mit den Fingern auf die Tastatur ein, als habe die Anschlagsquote eine neue Bedeutung bekommen. Links und rechts neben ihr stapelten sich kleine dünne Heftchen, denen sie momentan keine Beachtung schenkte. Ihr Blick war starr auf den Bildschirm gerichtet. Ihr Gesicht zeigte nur eine Regung, wenn ihre Suche wieder erfolglos gewesen war.
Eine junge Frau, im gleichen Alter wie Isis, war in den Raum getreten und sah kopfschüttelnd zu ihrer Freundin. Scherzhaft hielt sie sich die Ohren zu, als Isis für einen kurzen Augenblick aufsah. Sie wollte mit dieser Geste verdeutlichen,  wie laut Isis war. Doch ihre Freundin sah sie nicht.
„Warum malträtierst du deine Tastatur? Die kann doch nichts dafür, wenn die Suchmaschine nicht das ausspuckt, was du suchst. Oder brauchst du einen neuen Laptop? Dafür mußt du deinen eigenen aber nicht zerstören, um an dein Ziel zu kommen.“
„Wozu ist denn eine Suchmaschine sonst da?“ Isis hatte ihrer Freundin nur halb zugehört.
„Um dir Webseiten zu einem Thema anzuzeigen, daß du eingegeben hast. Aber wenn die Eingabe deiner Schlagwörter zu unpräzise war, bekommst du nur Schrott angezeigt. Mach mal Pause, vielleicht kommt dir dann der rettende Einfall.“
„Halt die Klappe, Karla!“, wütend tippte Isis eine neue Kombination ein, doch wieder kam nicht das, was sie sich erhofft hatte. Als sie drei Seiten der Suchergebnisse durchgegangen war, haute sie wütend den Bildschirm auf die Tastatur und der Laptop ging automatisch in den Ruhezustand über.
„Wenn du deinen Laptop unbedingt zerstören möchtest, mußt du weitermachen. Du standest kurz vor dem Abschluß.“
„Entscheide dich! Erst soll ich eine Pause machen, dann meinen Laptop zerstören.“
„Du machst doch auch sonst nicht das, was ich dir rate.“
Isis sah zu Karla, die sich in Isis heiligen Fernsehsessel setzte, nachdem sie den Fernseher angemacht hatte. Das dritte Programm zeigte Regionalnachrichten.
„… der Mord an einem Juwelier bleibt weiterhin mysteriös. Gestohlen wurde weder Schmuck noch Bargeld. Es wird vermutet, daß die Tat von einem Unbekannten begangen wurde, der den Juwelier überfallen wollte. Doch als die Situation eskalierte, wurde der Juwelier erschossen und der Täter floh ohne Beute.“
Isis sah zum Bildschirm, als ihr auf einmal etwas ins Auge fiel, was ihre Aufmerksamkeit erregte.
„Standbild“, rief sie eilig, doch das Bild lief weiter. „Karla, was machst du denn da?“
Sie lief zu Karla und riß ihr die Fernbedienung aus der Hand, doch als sie den Knopf für ein Standbild gedrückt hatte und zum Bildschirm sah, hatte das Bild bereits gewechselt. Das Standbild zeigte den Moderator der Sendung. Wütend warf sie Karla die Fernbedienung zu.
„Du weißt doch, daß ich mit dieser Fernbedienung nicht zurechtkomme. Die bleibt mir suspekt“, entschuldigte sich Karla.
„So wie Mona, die neue Spülmaschine. Ihr könnt euch wirklich zusammen tun.“
„Mona ist nur faul.“
„Und du bist schwer von Begriff. Das war mir wichtig dieses Standbild. Aber wegen deiner Unfähigkeit habe ich es verpaßt.“
Erbost erhob sich Karla und funkelte Isis mit glühenden Augen an.
„Ich bin nicht von zu Hause zu dir gezogen, um mir diese Worte anhören zu müssen. Bevor du weiter so etwas sagst, solltest du lieber mal darüber nachdenken, wie du dich eigentlich uns gegenüber benimmst.“ Karla legte die Fernbedienung auf den Tisch, dann hielt sie inne. Ihre Wut war wieder verraucht. „Wenn du Glück hast, gibt es die Sendung in der Mediathek oder du wartest auf die Nachrichten um vier. Da läuft noch mal exakt das Gleiche wie eben.“
„Das will ich für dich hoffen.“
Isis konnte die Sticheleien nicht lassen. Immer wußte sie alles besser, ließ keine andere Meinung gelten als ihre und beleidigte ihre Freundinnen unentwegt. Wie oft hatten Karla und Mona es ihr schon heimgezahlt, doch Isis stichelte weiter. Nicht einmal die Drohung, Mona und Karla würden ausziehen, ließ sie einen Gang zurückschalten.
„Was willst du eigentlich mit diesen ganzen Schmierheftchen? Damit wirst du deine Doktorarbeit niemals schreiben können.“
Mit der Hand haute Isis Karla auf die Finger, als diese ein Heft hochnehmen wollte.
„Nicht mit deinen ungewaschenen Patschehändchen anfassen. Dafür gibt es Handschuhe. Ihr Chemiker tragt doch auch Handschuhe, wenn ihr experimentiert.“
„Selten, kommt auf den Versuch an. Wirst du auch nie lernen: Es heißt Versuch und nicht Experiment. Bei einem Experiment weiß man nicht, wie es ausgeht, bei einem Versuch ist das Ergebnis bereits bekannt. Natürlich nicht uns Studenten, sondern den Versuchsleitern.“
„Schon klar, aber diese Schmierheftchen, wie du sie nennst, sind beinahe 100 Jahre alt. Also nur mit Handschuhen anfassen. Ist das klar?“
„Wie immer!“ Isis konnte viel reden, wenn sie wollte. Ob sich jeder daran hielt, war eine andere Sache. Das mußte auch Isis wissen, denn mißtrauisch sah sie Karla an. Dann ging ihr Blick zu einer großen Schublade mit Schloß.
„Also schließe ich sie lieber weg. Ich will nicht noch Essensreste darauf wiederfinden. Oder noch schlimmer: Die Hefte sind von Cola oder sonst irgendeinem Klebezeug durchtränkt.“
Karla machte ein empörtes Gesicht. Das war eindeutig gegen sie gemeint.
„Für was hältst du mich?“
„Für ein pizzafressendes Wesen.“
„Vielen Dank, nun weiß ich endlich, was du über mich denkst. Das kann ich gleich in meinen Blog schreiben. Meine Freundin hält mich für einen Allesfresser, der die Wohnung vermüllt.“
„So lange du meinen Namen nicht erwähnst und ein Foto von mir ins Netz stellst, kannst du erzählen, was du willst. Nur mein eigenes Privatleben bleibt tabu.“
„Ich weiß, was du vom Web 2.0 hältst. Wir leben nicht im Mittelalter. Aber ich werde dich schon nicht erwähnen, da brauchst du keine Angst zu haben.“ Karlas Blick fiel auf die Namenszeile des zu oberst liegenden Heftchens. „Pascal Justine.“ Sie sprach den Nachnamen so aus, wie er auf der Heftzeile stand. Ein ziemlich moderner Vorname für die damalige Zeit.
„Jüstin“, sagte Isis und sprach den Namen mit weichem ‚j‘ französisch aus. „Und der Name tauchte in Frankreich schon Jahrzehnte früher auf als in Deutschland. In meiner Familie bekamen die männlichen Familienmitglieder französische Vornamen, um auf die französischen Wurzeln zu verweisen.“
„Justine? Aber du heißt doch Just, wie können deine Vorfahren dann Justine heißen?“ Karla verstand mal wieder überhaupt nichts. Zwar hatte sie sich immer gewundert, warum Isis‘ eigentlicher Vorname Mélanie immer ein Accenté Gue auf dem ersten ‚e‘ hatte, doch war es ihr so nebensächlich erschienen, da Isis diesen Namen nicht mochte und nur von ihren Eltern und den Lehrern so genannt wurde. Nach dem Abitur waren jetzt ihre Eltern die einzigen, die sie noch bei dem Namen nannten.
„Mein Großvater hat den Namen während der Dreißiger Jahre geändert, weil er Probleme fürchtete. Im Dritten Reich erschien ein französischer Name suspekt. Und um keine Probleme zu bekommen, hat er ihn in Just abgekürzt. Er hatte es nicht gewollt, da er den Namen seiner Mutter in Ehren hatte halten wollen. Doch indirekt ist er dazu gezwungen worden. „Mit dem Feind mache man keine Geschäfte“, hatte es geheißen. Noch kurz vor seinem Tod grämte er sich, daß er das getan hatte. Aber es ließ sich nicht mehr rückgängig machen.“
„Deutschland, deine Ämter. Ein Kampf, der nie enden wird.“
„Das erinnert mich mal wieder an die Uni. Das ist auch ein einziger Kampf.“
„So lange wir nicht in die Wallachei ziehen, können die sich die Köpfe einschlagen.“
„Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. In der Zeit solltest du dein Studium längst beendet haben. Oder willst du die letzte Diplom-Studentin werden? Der letzte Mohikaner sozusagen?“
„Ewig studieren ist nicht gut. Ich bin schon jetzt völlig verplant. So verlehrt wie ich jetzt bereits bin, sollte ich schnellstmöglich das Studium abschließen.“
„Es wundert mich immer wieder, daß du nicht nur in Formeln sprichst, wie Mona. Vor lauter Physik weiß man doch schon gar nicht mehr, was sie uns eigentlich sagen will.“
„Das weiß man bei dir auch nicht. Und du benutzt keine naturwissenschaftlichen Formeln.“
„Danke, du bist wieder so nett wie immer.“
Mit einem Stift öffnete Karla das zu oberst liegende Heft. Voller Vorfreude hatte sie es geöffnet, wie enttäuscht war sie, als sie die Schrift sah. Ein unleserliches Gekrakel. Sauber und ordentlich geführt, doch vollkommen unleserlich.
„Das kann man doch nicht lesen.“
Amüsiert verzog Isis ihren Mund.
„Ach, ich dachte, du könntest sämtliche Schriften entziffern. Hast du dich nicht immer in der Schule damit gerühmt?“
„Aber nicht diese Linien. Kann doch kein Mensch lesen.“
„Das ist die deutsche Schrift. So hat man damals vor knapp hundert Jahren geschrieben.“
„Und du kannst das lesen?“
„Es geht. Anfangs war es für mich auch nur ein Gekrakel aus Linien. Je länger ich mich damit befasse, desto vertrauter wird es. Aber meine Großmutter kann es besser lesen. Sie hat die Schrift in der Schule gelernt. Im Gegensatz zu uns.“
„Schön, wenn man Großeltern hat.“
„Wenn sie noch leben.“
Isis‘ Stimme war hart geworden, Trauer mischte sich darunter.
„Tut mir leid, ich habe deinen Großvater vergessen.“
Durch ein Nicken registrierte Isis die Entschuldigung, vertiefte sich aber sogleich auf ihre Internetsuche. Sie hatte den Laptop wieder angemacht. Doch wieder fand sie nichts. Wütend trommelte sie mit den Fingern auf die Tischplatte.
„Das muß ja was ungemein Wichtiges sein, wenn du so bei jedem Fehlversuch reagierst. Aber wenigstens läßt du deine Wut nicht mehr an deinem Laptop aus.“
Interessiert beugte sich Karla über Isis‘ Schulter und warf einen Blick auf den Bildschirm.
„Probier’s doch mal mit einer anderen Suchmaschine. So toll ist die Königin der Suchmaschinen nicht. Was suchst du eigentlich?“
„Eine alte Tonvase mit einer Kette. Irgendwo im Internet sollen die in einem Forum angeboten werden. Aber ich weiß nicht wo. Und diese blöde Suchmaschine sagt es mir nicht. Es ist zum Verzweifeln!“
„Du willst das haben oder wie verstehe ich das?“
„Exakt.“
Wieder tippte Isis etwas in das Suchfenster ein. Doch dieses Mal hatte sie die Bildersuche benutzt. Die ersten Bilder waren nicht das, was Isis suchte. Doch das zweite Bild in der letzten Reihe kam ihr bekannt vor.
„Jawohl!“, freute sie sich und klickte das Bild an. Schnell machte sich Enttäuschung breit, als sie nicht zum Beitrag weitergeleitet wurde, sondern eine Mitteilung auf dem Bildschirm erschien, daß sie kein Mitglied des Forum sei und diesen Beitrag nur sehen könne, wenn sie sich angemeldet habe.
„Da wirst du dich anmelden müssen.“
„Was du nicht sagst. Ich weiß schon gar nicht mehr in wie vielen Foren ich eigentlich angemeldet bin. Die meisten habe ich schon seit Jahren nicht mehr besucht. Weiß gar nicht, ob ich da überhaupt noch Mitglied bin.“
„Wohl eher nicht. Manchmal schicken sie dir auch Erinnerungsmails.“
„Egal, also werde ich mich erst einmal anmelden. Und du erinnerst mich um vier an die Lokalnachrichten.“
„Stell dir den Wecker.“
Doch Isis hörte sie schon gar nicht mehr. Völlig vertieft in ihre Anmeldung und mit den Gedanken bei den beiden Objekten, nahm sie nichts mehr um sich herum wahr. Wenn sie Glück hatte, würde sie schon bald stolze Besitzerin der Objekte sein. Dann konnte sie die Vase und die Kette besser untersuchen und vielleicht auch das Geheimnis klären, warum sie die Vase bereits einmal gesehen glaubte. Die Regierungszeit Echnatons war ihr vertraut, die typischen Darstellungen aus der Amarna-Zeit konnte sie sofort erkennen. Doch die Vase, obwohl sie Züge der Amarna-Zeit trug, war ihr unbekannt und dennoch vertraut.

6. Kapitel

Hamburg-Eimsbüttel, April 2009
Schnellen Schrittes ging Isis Just durch den dunklen Flur bis sie an einer Tür stehen blieb und anklopfte. Nachdem sie ein ‚Herein‘ vernommen hatte, öffnete sie die Tür und trat in den Raum.
„Sie haben nach mir geschickt, Herr Winter?“
Ein älterer Herr mit Fliege sah von einigen Fotografien hoch.
„Ja, ich wollte Sie sprechen, Isis. Ihr Spezialgebiet ist doch die 18. Dynastie. Außerdem haben Sie die erstaunliche Gabe, künstlerische Darstellungen einen bestimmten Pharao zuzuordnen.“
Isis merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Solch ein Lob hatte sie noch nie zu hören bekommen, vor allem nicht aus dem Mund von Professor Winter. Eben jenem Professor, für den es selbstverständlich schien, daß man fließend das Mittelägyptische, das Hieratische und das Demotische beherrschte. Der nie zufrieden war, selbst wenn man eine sehr gut ausgearbeitete Hausarbeit oder ein gutes Referat abgeliefert hatte. Es gab immer etwas auszusetzen. Und nun dieses Lob. Das mußte etwas zu bedeuten haben. Neugierig wartete Isis ab, warum sie gerufen worden war.
„Kommen Sie mal her und sehen Sie sich das an.“ Er deutete auf die Fotos. „Können Sie mir sagen, wann diese Gegenstände ungefähr gefertigt wurden?“
Isis trat an den Tisch und sah sich die Fotografien  genau an. Die Bilder zeigten eine Kette und eine Vase oder einen Krug. Wohl eher einen Krug, vermutete die junge Ägyptologin.
Sie nahm die Fotografie mit der Kette hoch und betrachtete sie. Eine kleine Fayence-Schicht, auf der sich Zeichen befanden, die Isis nicht erkennen konnte, befand sich unter zwei menschlichen Abbildungen. Beide trugen auf dem Haupt eine Uräusschlange, wobei das Königszeichen bei der linken Figur nur angedeutet war. Vielleicht war es im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen, doch das ließ sich nicht genau erkennen. Die rechte Figur übergab der linken eine Rolle. Eingerahmt wurde diese Szene von zwei Lotusblüten. Hieroglyphen, die diese Szenen hätten auflösen können, waren nicht zu erkennen. Die Fotografie war gut, aber solche Feinheiten ließen sich nicht erkennen.
„Eine schöne Arbeit“, stellte Isis fest. Sie legte die Fotografie weg und nahm die übrigen zwei, auf der das Gefäß abgebildet war. Kaum hatte sie einen Blick darauf geworfen, war ihr sofort eine Figur ins Auge gefallen. „Seth!“, sagte sie und wirkte überrascht. Was hatte der Gott, vor dem sich beinahe jeder Ägypter gefürchtet hatte, auf diesem Gefäß zu suchen? Isis konnte den Wortlaut der Hieroglyphen nicht entziffern, da es sich nur um einen Ausschnitt handelte. Auch die andere Fotografie half ihr nicht weiter. Dort waren wieder zwei menschliche Darstellungen abgebildet, die sich von der Darstellung auf der Kette nur darin unterschieden, daß beide keine Uräusschlange trugen. Der Augenmerk lag auf der Rolle. Was hatte diese Rolle zu bedeuten? Was enthielt sie?
„Haben Sie eine Idee, wann die Gegenstände gefertigt worden sind?“, riß Professor Winter Isis aus ihren Gedanken.
Sie legte die Fotografien auf den Tisch zurück, betrachtete sie noch einmal intensiv. Seltsamerweise kamen sie ihr vertraut, bekannt vor. Doch sie konnte nicht sagen, wo sie das Gefäß und die Kette schon einmal gesehen hatte.
„18. Dynastie, damit haben Sie Recht gehabt. Aber ich müßte raten, wenn ich die Gegenstände der Regierungszeit eines Pharaos zuordnen sollte. Vielleicht der Regierungszeits Hatschepsuts. Auf der Kette sind beide Figuren mit einer Uräusschlange dargestellt. Es könnte sich um Hatschepsut und ihren Stiefsohn Thutmosis III. handeln. Aber diese Umrahmung mit den Lotusblüten und der Boden aus Fayence, auf dem die beiden Figuren stehen, widersprechen dem.“
„Und die Vase?“
„Die Abbildung des Seth hat mich irritiert, als sollte man davon abgehalten werden dieses Gefäß, eine Vase oder einen Krug, anzufassen oder ihren Inhalt sich genauer anzusehen. Neben Seth ist etwas geschrieben worden, aber ich kann nicht erkennen, was dort steht. Die beiden Figuren, von denen die eine der anderen eine Rolle übergibt, finden sich auch hier wieder. Aber die Uräusschlange auf beiden Köpfen fehlt. Auch 18. Dynastie, aber dieses Mal kann ich es einem Pharao zuordnen. Der Stil ist eindeutig, auch wenn er nicht ganz herauskommt. Es handelt sich um die Regierungszeit von Pharao Amenophis IV., besser bekannt als Echnaton.“
Professor Winter atmete tief durch, nachdem er Isis‘ Worte vernommen hatte. Das war eine Überraschung, mit der er nicht gerechnet hatte. Auf einer Vase aus der Regierungszeit Echnatons war Seth abgebildet, ein zu dem Zeitpunkt verfemter Gott, der nicht existieren durfte. Nicht Bes war abgebildet, sondern Seth. Es mußte sich tatsächlich um eine Warnung handeln, wenn der Gott Bes dafür nicht ausgereicht hatte. Doch Bes, der ein eingewanderter Gott war, hatte zu viele Funktionen inne gehabt, als das deutlich geworden wäre, was er auf der Vase bedeutet hätte. Doch warum wurde zweimal das gleiche Motiv gewählt, wenn beide Gegenstände nicht zum gleichen Zeitpunkt gefertigt worden waren? Handelte es sich bei den beiden Gegenständen um eine Fälschung?
„Halten Sie die Gegenstände für echt?“, wollte er wissen und hoffte auf eine aussagekräftige, eindeutige Antwort, doch er wurde enttäuscht.
„Das kann ich nicht sagen“, antwortete Isis und sah am Gesichtsausdruck Prof. Winters, das sie eine Antwort gegeben hatte, die er nicht hören wollte. „Ich müßte die Gegenstände vor mir liegen haben, sie anfassen, die Konturen nachfahren. Anhand dieser Fotografien kann ich zu keinem aussagekräftigen Urteil kommen. Ich muß die Gegenstände aus der Nähe aus betrachten. Wo sind denn die Vase und die Kette, damit ich sie mir ansehen kann?“
Ein betretendes Schweigen machte sich breit. Professor Winter nahm die Fotos, ordnete sie und legte den kleinen Stapel auf den Tisch zurück.
„Das ist das Problem: Wir wissen es nicht. Dr. Grehtlahn hatte in einem dieser zwielichtigen Foren, wo Kunsthandwerke gehandelt werden, die Gegenstände gefunden. Wir sind uns aber nicht sicher, ob es sich um Fälschungen handelt. Deshalb hatte ich ein Urteil von Ihnen haben wollen. Aber wenn Sie nicht sagen können, ob die Gegenstände echt sind…“
„Überlegen Sie mitzubieten?“ Isis fürchtete, daß es sich um Diebesgut, also Hehlerware handelte, die jemand aus dem ägyptischen Sand ausgegraben und anschließend aus Ägypten illegal nach Deutschland eingeführt hatte. Sie hörte schon die wütenden Proteste des Leiters der Altertümerverwaltung, der von nichts eine Ahnung hatte, sich aber immer gut in Szene zu setzen wußte.
Wenn sie sich nur an die Identifizierung der Mumie der Hatschepsut erinnerte. Ein Zahn, der in einem Kästchen gefunden worden war, wo Hatschepsuts Name draufstand, hatte es entschieden. Die DNA-Analysen waren noch nicht abgeschlossen, doch es gab kaum noch Zweifel. Nur Isis zweifelte an der Richtigkeit der Untersuchung und des Ergebnisses. Wenn sie so was schon hörte, die Mumie hätte königliche Züge, wurde sie wütend. Tutanchamun sah auch nicht gerade königlich aus oder Thutmosis III., um in der Familie der Thutmosiden zu bleiben, zu denen auch Hatschepsut gehörte. „Sie wissen, was das für Risiken bergen kann?“
„Dieser Schlapphut von Mahmud Hosseni soll erst einmal beweisen, daß es illegal aus Ägypten ausgeführt wurde. Um Nofretete hat er sich auch vergeblich bemüht. Der soll toben bis er platzt oder endlich abgesetzt wird.“
Die harten Worte erstaunten Isis, vor allem aus dem Munde Professor Winters, der sich immer mit der Kritik über den Lieblingsfeind der Ägyptologen zurückgehalten hatte. Sie wußte, wie man hinter vorgehaltener Hand über diesen Wichtigtuer sprach, der sich nur im Erfolg sonnen wollte, der eigentlich anderen gebührte.
„Bevor irgendein Sammler die Gegenstände ersteigert und sie anschließend für Jahrzehnte hinter Tresormauern verschwinden, wollen wir sie haben. Nur wie wir das finanzieren sollen, weiß ich noch nicht.“
Seitdem beschlossen worden war, daß das Departement Ägyptologie geschlossen und abgeschafft werden sollte, wurde es immer schwerer Geld zu bekommen. Daß Isis nach dem Ende ihres Studiums im Sommersemester 2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Professor Winter übernommen wurde, war verwunderlich gewesen, wurden die Stellen doch nach und nach abgebaut, da die Studenten des letzten zugelassenen Jahrgangs im Sommersemster 2005 sich dem Ende ihres Studiums näherten. Offiziell hieß es, daß der Studiengang so lange erhalten bliebe, bis der letzte Student mit dem Magister abgeschlossen hatte. Doch jeder wußte, daß in spätestens 2012 Schluß war. Eigentlich wurde schon damit gerechnet, daß es in zwei Jahren so weit sein würde. Die Stellen wie auch die Seminare wurden abgebaut. Selbst Isis hatte gegen Ende ihres Studiums Probleme gehabt, Seminare zu finden, die sie interessierten. Die Auswahl wurde immer magerer, weshalb sie die Studenten bedauerte, die noch an diesem Ort studierten. Sie bot zum ersten Mal ein Seminar an, das bald aus allen Nähten platzte, vielleicht aus dem Grund, weil es das interessanteste Thema des ganzen Semesters war.
„Zur Not werden wir das selbst bezahlen. Es sind schon zu viele Objekte im Ausland gelandet, weil in Deutschland kein Geld vorhanden war.“
Isis ärgerte sich jedes Mal darüber, wenn sie hörte, daß einem deutschen Museum etwas angeboten worden war, doch das nötige Geld gefehlt hatte, weshalb es im Ausland landete. Wenn einem deutschen Institut schon etwas angeboten wurde, und die nötigen Geldmittel nicht vorhanden waren, sollte es entweder einen großen Geldtopf dafür geben, oder die Institute sollten sich zusammensetzen und ihr Geld zusammenlegen, um das Objekt gemeinsam zu finanzieren. Doch wo kein Nutzen gesehen wurde, blieb der Geldhahn zu. Ein gutes Beispiel war das Troja-Projekt, wo die Finanzierung ausgelaufen war. Die Ausgrabungen hätten eingestellt werden müssen, wenn nicht ein privater Sponsor eingesprungen wäre. Die Zahlungen waren nicht verlängert worden, da keine Ergebnisse, kein großer Fund gemacht wurde. Immer mußte den Taten Ergebnisse folgen. Wenn dies nicht geschah, wurden eben die Zahlungen eingestellt.
„Mein Gehalt ist nicht hoch, aber für diese Objekte gebe ich es gerne, damit wir sie näher untersuchen können.“
Professor Winters Mund verzog sich zu einem Lächeln. Damit hatte er gerechnet. Er kannte Isis‘ Meinung zu Forschungsobjekten, die in ausländischen Instituten landeten, weil in Deutschland niemand das Geld dafür hatte.
„An erster Stelle steht der Forscherdrang. Doch nein, Ihr Angebot kann ich nicht annehmen.“
„Gut, ich akzeptiere es, aber mein Angebot bleibt bestehen. Bevor solche Objekte ins Ausland verschwinden, gebe ich lieber mein letztes Geld.“
„Wurmt es Sie also immer noch, daß die meisten Objekte ins Ausland oder an Sammler gehen.“
„Ich finde es skandalös, daß deutsche Archive ihre Schätze verkaufen, weil sie oder die Stadt Geld brauchen. Daß Objekte nicht gekauft werden können, obwohl sie als erste das Angebot bekommen , weil eine Finanzierung nicht zustande kommt und das Objekt im Ausland verschwindet.“ Isis merkte an Profssor Winters Gesichtsausdruck, daß sie sich in Rage redete und versuchte auf ein anderes Thema zu lenken. Jeder wußte, was sie vom Ausverkauf der Archive hielt und den schlechten Finanzierungen der Institute, Universitäten und Museen. Und niemand wollte es mehr hören, obwohl ihr alle insgeheim zustimmten, doch nicht die Sichtweise vertraten wie Isis. „Wie lange gilt das Angebot noch?“
„Ein festes Datum ist nicht angegeben, auch kein Festpreis. Man soll ein Angebot abgeben und wenn es das höchste war, bekommt man den Zuschlag.“
„Also dem Baugewerbe ähnlich?“
„Richtig, nur das bei Ausschreibungen das niedrigste Gebot gewinnt.
Isis machte Anstalten zu gehen.
„Wenn ich nicht mehr gebraucht werde. Ich muß die nächste Seminarsitzung vorbereiten.“
Sie hatte bereits die Türklinke in der Hand, als Professor Winter noch einmal das Wort ergriff.
„Wie sieht es eigentlich mit Ihrer Promotion aus? Haben Sie ein Thema gefunden?“
„Ich suche noch, kann mich einfach nicht entscheiden, ob ich etwas über Hatschepsut oder über Echnaton, Semenchkare schreiben möchte. Beide Herrscher oder die drei Herrscher bieten eine Fülle von Themen.“
„Es ist aber auch schon viel geschrieben worden. Bedenken Sie das, Isis. Vielleicht sollten Sie sich mit Professor Theiding von der FU Berlin in Verbindung setzen, der kann Ihnen sicherlich weiterhelfen.“
Theiding, diesen Namen hatte Isis seit sechs Jahren nicht mehr gehört, seitdem sie ihn in Ägypten getroffen hatte. Er hatte seinen Halbbruder begleitet, der eine schwere Krankheit überwunden hatte. Isis hatte diese Reise zu ihrer Volljährigkeit geschenkt bekommen. Eine Reise, die unglaublich gewesen war, doch als sie nach Deutschland zurückkehrte, hatte sie ihr geordnetes Leben in Scherben zerbrochen vorgefunden. Ihr Bruder starb nach einem Autounfall und ihre Eltern ließen sich scheiden. Nichts war mehr so gewesen, wie es einmal gewesen war. Daß sich nun ihr Weg wieder mit Professor Theiding kreuzen sollte, ließ all die Erinnerungen an die Reise, die guten, wie die schlechten, wieder hochkommen. Isis mußte kämpfen, um die Flut an Bildern wieder aus ihrem Kopf zu verdrängen.
„Ist Ihnen nicht gut, Isis?“, fragte Professor Winter besorgt und riß Isis aus ihren Gedanken.
„Nein, alles in Ordnung.“
Isis drückte schnell die Türklinke herunter, öffnete die Tür und verließ das Zimmer, bevor Professor Winter etwas erwidern konnte. Sie wollte jetzt einfach nicht über Professor Theiding sprechen.
Erleichtert lehnte sie sich an die Wand neben dem Zimmer Professor Winters und holte tief Luft. Sie war mit Erinnerungen konfrontiert worden, die sie vergessen geglaubt hatte. Wie damals waren sie noch heute genauso schmerzhaft.
Langsam ging sie den Flur entlang.
Die beiden Objekte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Vor ihrem geistigen Auge sah sie den Krug, die zwei dargestellten Menschen. Die zu übergebende Rolle schien zu leuchten.
Sie konnte es nicht erklären, aber ihr kam diese Abbildung bekannt vor. Irgendwo hatte sie diese Szene schon einmal gesehen. Es war in keinem wissenschaftlichen Fachbuch gewesen, auch auf keiner Vase oder irgendeiner Fotografie. Wenn sie sich nur erinnern könnte.