Voraussichtlich Ende September wird der neueste Thriller mit Isis Just erscheinen. Hier gibt es schon einmal die Leseprobe eines Kapitels.
Das Kapitel ist noch völlig unbearbeitet, deshalb nicht wundern, wenn an einer Stelle in Großbuchstaben „Telefonanruf“ steht. Dieser wird dort noch eingearbeitet werden. Tippfehler hingegen wurden beseitigt, so weit sie mir ins Auge gefallen sind. Und nun viel Spaß beim Lesen. Wer Isis Just in diesem Kapitel suchen wird, muss leider auf sie verzichten. Hier geht es um ihre Freundin Karla, die wie schon in IM ZEICHEN DES DENKMALS den Stein ins Rollen bringt.
Hannover
Warum tat sie sich das eigentlich an? Statt in ihrem Bett zu liegen und auszuschlafen, stand sie nun auf dem Bahnsteig und wartete darauf, dass die Straßenbahn einfahren würde, die sie zu Professor Dietz bringen würde.
Sie konnte kaum die Augen offenhalten, war im ICE immer wieder für kurze Zeit eingenickt, um noch müder als zuvor wieder zu erwachen.
Gestern war sie erst um drei Uhr zu Bett gegangen und letzte Nacht war es auch spät geworden.
Sie hätte nicht in Monas Geburtstag hineinfeiern sollen, sondern stattdessen früh zu Bett gehen, um ausreichend Schlaf zu bekommen. Nun war sie eines Besseren belehrt worden. Früher hatte sie mehrere Nächte mit weniger als fünf Stunden Schlaf problemlos durchgestanden. Heutzutage machte sie bereits nach zwei Tagen schlapp.
Was hatte der Professor es auf einmal so eilig? Richtiggehend drängend war seine Nachricht gewesen, die sie gestern Abend auf ihrer Mailbox vorgefunden hatte. War irgendetwas passiert? Das hatte er nicht gesagt, aber man hatte es deutlich herausgehört.
Also hatte sie sofort nach Kenntnis der Nachricht eine Fahrkarte nach Hannover gekauft, um pünktlich zum erbetenen Termin zu kommen.
Es würde knapp werden. Der Zug hatte eine Viertelstunde Verspätung gehabt, als er in Hannover im Bahnhof eingefahren war. Dann war ihr auch noch die Straßenbahn vor der Nase weggefahren. Es konnte nicht mehr schlimmer kommen.
TELEFONANRUF
Endlich saß sie in der Straßenbahn und starrte angestrengt nach draußen. Die warme Luft in der Kabine machte sie schläfriger als sie so schon war.
Die Augen fielen ihr zu und es dauerte immer länger, bevor sie diese wieder langsam öffnete. Irgendwann hielt sie ihre Augen geschlossen und war innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen.
Karla erwachte, als die Straßenbahn mit einem Ruck wieder anfuhr. Verwirrt sah sie sich um und musste mit Schrecken feststellen, dass sie zu weit gefahren war.
Jetzt würde sie zu spät kommen, weil sie sich der Müdigkeit ergeben hatte und eingepennt war.
So eine Scheiße!
Genervt wartete Karla darauf, dass die Straßenbahn wieder hielt und sie aussteigen konnte. Es kam ihr unendlich langsam vor, besonders als sie gesehen hatte, dass auf der entgegengesetzten Haltestelle gerade eine Bahn eingefahren war.
Doch kaum war sie ausgestiegen, hörte sie, wie die andere Straßenbahn abfuhr.
„Fuck!“, sagte sie verärgert und wandte sich zum Gehen.
Zu Fuß würde sie schneller sein, als wenn sie auf die nächste Straßenbahn wartete.
Wie sagte Isis immer: Ich bin zu faul zum Warten gewesen. Nur würde es bei ihr keine Faulheit sein. Sie hatte es einfach eilig.
Wo musste sie überhaupt entlang? Am besten orientierte sie sich an den Gleisen, da konnte am wenigsten schiefgehen. Problematisch würde es, wenn zwei Strecken sich kreuzen würden. Dann war guter Rat teuer, wie Markus gerne zu sagen pflegte.
Nein, warum denn so kompliziert? Sie hatte ihr Smartphone. Dort bräuchte sie nur Maps aufrufen und ihr würde der richtige Weg angezeigt werden. Genauso würde sie es machen.
Karla holte ihr Smartphone aus der Tasche und versuchte es aus den Ruhezustand zu holen. Der Bildschirm blieb schwarz.
„Fuck!“, fluchte sie bereits zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit. „Fuck! Fuck!“
Der Akku war alle, weil sie wieder mal vergessen hatte das Smartphone aufzuladen. Vorhin hatte es noch funktioniert. Heute war einfach nicht ihr Tag. Sie hätte im Bett bleiben und den Termin absagen sollen.
Abgekämpft und pustig rannte sie die Treppe im Uni-Gebäude hoch. Den Aufzug ließ sie links liegen, denn bei ihrer heutigen Glückssträhne wäre sie noch stecken geblieben, obwohl es weniger anstrengend gewesen wäre. Das Haar klebte ihr am Kopf und der Schweiß lief ihr den Rücken hinunter.
Inzwischen war es ihr völlig egal, welchen Eindruck sie auf den Professor machte. Hauptsache, sie würde nicht mehr als eine Viertelstunde zu spät kommen. Nachdem sie vorhin die falsche Abzweigung genommen hatte, war sie den restlichen Weg gelaufen. Zwar war sie nicht mehr ganz so unsportlich wie noch vor vier Jahren, aber das hieß nicht, dass sie auf einmal eine so lange Strecke problemlos bewältigen konnte. Ihre Lunge brannte unangenehm, weshalb sie nicht mehr allzu tief Luft holen konnte und dadurch immer mehr nach Luft schnappte und ihren Zustand nur verschlimmerte.
Schwitzen tat sie auch, weil die Jacke sie vor der Kälte schützen sollte und damit keine Wärme freiließ, auch wenn sie durch ihr Laufen welche produzierte.
Eine Uhr hatte sie immer noch nicht entdeckte. Sie wusste also nicht, wie viele Minuten sie eigentlich zu spät war.
Endlich war sie an ihrem Ziel angekommen. Keine fünf Meter waren es mehr zum Büro des Professors.
Sie blieb stehen, rückte sich ihren Zopf zurecht und versuchte zu Atem zu kommen. Allzu abgekämpft wollte sie bei dem Professor nicht erscheinen.
Als es ihr endlich wieder gelang tiefer Luft zu holen, ging sie weiter und klopfte an die geschlossene Tür. Zu ihrer Überraschung öffnete sich diese einen Spalt breit.
Die Wissenschaftsjournalistin starrte unentschlossen auf die Tür, was sollte sie jetzt machen? Einfach reingehen oder warten? Hatte der Professor vergessen die Tür richtig zu schließen? War ihm etwas passiert und er lag hilflos in seinem Büro und konnte sich nicht rühren?
Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Er müsste eigentlich in seinem Büro sein, wo er sie um elf Uhr hatte sprechen wollen.
Es half alles nichts. Sie musste wissen, was los war, obwohl eine innere Stimme ihr riet, so schnell als möglich zu verschwinden.
Karla stieß die Tür auf und blieb auf der Schwelle stehen.
„Hallo? Herr Professor, sind Sie da?“
„Das Herr Professor kam ihr albern vor, wie aus einem schlechten Film entnommen, wo die beiden Darsteller kurz drauf übereinander herfallen würden. Solche Filme hatte sie sich noch nie angesehen, dennoch kamen ihr immer wieder solche Gedanken. Mona und Isis zogen sie deshalb des Öfteren auf.
„Entschuldigen Sie, dass ich zu spät bin. Mein Zug hatte Verspätung.“
Hoffentlich überprüfte er das nicht, die Verspätung, war nicht gravierend gewesen. Nur die Wahrheit klang zu unglaublich, als das es tatsächlich passiert sein könnte.
„Herr Dietz?“, fragte sie, als keine Antwort kam.
Auf einmal merkte sie wie ruhig es im Büro war, fast totenstill. Ihre Nase nahm einen kupferartigen Geruch wahr.
Die Wissenschaftsjournalistin machte einen Schritt weiter in den Raum hinein, obwohl alles in ihrer schrie, dass sie kehrmachen und abhauen sollte.
Erst jetzt nahm sie die Unordnung wahr. Irgendjemand war eingebrochen und hatte das Büro durchsucht.
Als sie sich umdrehen und rausgehen wollte, hörte sie ein Stöhnen.
„Hallo?“, sagte sie noch einmal und sah sich suchend um.
Ein Kopf schaute hinter dem Schreibtisch hervor. Dort lag jemand auf dem Boden.
„Herr Professor!“, sagte Karla bestürzt, als sie erkannt hatte, wer dort lag.
Karla stürzte zu ihm und blieb wie angewurzelt stehen, als sie das ganze Blut sah. Für einen winzigen Augenblick wurde ihr schwarz vor Augen, doch sie riss sich zusammen. Jetzt bewusstlos zusammenzubrechen würde nichts nutzen und sie nur in Schwierigkeiten bringen, wenn sie ihre Kleidung mit dem Blut einsaute.
Die Wissenschaftsjournalistin konzentrierte sich auf ihre Atmung. Der Schwindel verschwand, doch der widerliche Geruch nach Kupfer blieb weiter in ihrer Nase hängen.
„Was ist passiert?“, fragte sie und wusste nicht, ob er sie hören konnte, ob er überhaupt noch lebte.
Jemand hatte Dietz ermordet! Wer tat so was und warum? Wenn sie pünktlich gewesen wäre, hätte sie es wahrscheinlich verhindern können oder würde sie nun ebenfalls in ihrem eigenen Blut liegen?
Hilflos sah sie auf den reglosen Körper hinab, wusste nicht, was sie tun sollte. Überall war so viel Blut. Konnte ein einzelner Mensch so viel in sich haben?
Sie ging in die Knie, versuchte am Hals des Professors den Puls zu fühlen. So wurde das immer im Fernsehen gemacht, sonst hätte sie nicht gewusst, was sie tun sollte. Ihren Erste-Hilfe-Kurs hatte sie mit achtzehn belegt, als sie ihren Führerschein machte. Die ABC-Regel sollte inzwischen nicht mehr gelten, wie sie mal gelesen hatte, aber nützte es hier überhaupt noch etwas, wenn sie versuchte, Dietz wiederzubeleben? Das viele Blut sprach dagegen.
Ganz schwach spürte sie etwas gegen ihre Finger pochen. Das musste der Puls sein. Im selben Augenblick schlug der Professor die Augen auf und sie wich erschreckt zurück.
„Frau Urban“, sagte er schwach, seine Stimme war kaum zu verstehen.
Karla beugte sich zu ihm herab, ihr Ohr dicht vor seinem Mund, damit sie ihn besser verstehen konnte.
„Was ist passiert?“, wollte sie wissen.
„Das Dokument, der Besenstil-Anzug wollte es haben. Nicht hier…, wurde wütend…“, die Worte kamen nur noch abgehackt aus seinem Mund, je länger er gesprochen hatte. Offensichtlich strengte ihn das reden an.
„Wo ist das Gutachten?“
Karla sah, wie sich der Blick des Professors zu trüben begann. Lange würde es nicht mehr dauern.
„Paket, Zuhause“, stieß er hervor.
Sie sah ihn ratlos an.
Das hatte der Professor zu Hause liegen? Wo wohnte er nur?
„Zuhause? Das ist gut, sehr gut“, sprach die Wissenschaftsjournalistin in einem beruhigenden Tonfall. „Ich werde es finden.“
„Fotos“, gab Hermann Dietz mit letzter Kraft von sich. Es war ein Hauch, aber Karla verstand sofort, was er meinte: Die Fotografien der Briefe an den englischen Fettsack. Sein Blick war, während er es gesagt hatte, an die Wand gegangen. Dort standen zwei etwa einen Meter hohe Regale, auf denen sich verschiedene Ablagen befanden.
Sie stand auf und ging zu den Regalen an der Wand, dabei wich sie der Blutlache aus.
Blätter lagen verstreut vor den Regalen auf dem Boden. Wo mochten in all dem Chaos die Fotos liegen?
Bevor sie etwas anfasste, holte sie geistesgegenwärtig ihre Baumwollhandschuhe aus ihrer Tasche und streifte sie über. Fingerabdrücke würde sie damit keine hinterlassen, die die Polizei nachher finden könnte.
Karla hob verschiedene Blätter auf und ließ sie wieder achtlos fallen, als sich das Gesuchte darunter nicht befand. Unter einer umgeworfenen Ablage fand sie einen an den Professor adressierten Brief. Es war nicht die Anschrift der Universität, also musste der Professor dort wohnen. Sie steckte den Brief ein und setzte ihre Suche fort. In einem braunen Umschlag, der in einem Regalfach lag, wurde sie schließlich fündig. Wer vor ihr das Büro durchsucht haben musste, hatte auch die Fotografien in Händen gehalten, aber nicht mit ihnen anfangen können. Zwei Fotos hatten aus dem Umschlag hervorgeschaut, als hätte sie jemand herausgezogen und nicht wieder richtig hineingesteckt, weil er in Eile gewesen war.
„Ich hab sie!“, sagte die Wissenschaftsjournalistin und drehte sich zum Professor um.
Er sagte nichts und an der Art, wie er reglos am Boden lag, kam ihr die Gewissheit, dass er tot war. Als die Erkenntnis in ihrem Gehirn angelangt war, ließ sie den Umschlag fallen und starrte auf den Leichnam. Vor wenigen Tagen hatte sie ihn noch interviewt, gestern hatte er auf ihre Mailbox gesprochen, dann dieser seltsame Anruf vorhin, der plötzlich abgerissen war. Die ganze Zeit war er am Leben gewesen, ihn jetzt dort tot zu sehen kam ihr so unwirklich vor. Das konnte nicht sein. Sie musste träumen, befand sich in einem Alptraum aus dem sie gleich erwachen würde. Karla blinzelte mit den Augen, sah weiter auf die reglose Gestalt von Hermann Dietz, die in einer riesigen Blutlache lag.
Ihr stieg der kupferartige Geruch in die Nase. Das war kein Traum, sondern Wirklichkeit. Hermann Dietz war tot – ermordet von einem Unbekannten. Nein, nicht unbekannt. Dietz hatte ihn Besenstiel-Anzug genannt. Was er auch immer damit gemeint haben mochte. Das Muster auf dem Anzug, irgendetwas in der Art. Der Mörder hatte einen seltsamen Anzug getragen und das war dem Professor im Gedächtnis geblieben. Hätte er ihr nicht einen Namen sagen können? Vielleicht wusste er ihn selbst nicht.
Sie schüttelte sich, als sie erneut das Blut roch. So mochte es in einer Schlachterei riechen. Das war nicht zum Aushalten. Sie musste raus.
Wo waren die Fotos hingekommen? Neben ihren Füßen lagen sie. Gut, die hätte sie schon einmal.
Auf einmal war es ihr, als würde der Leichnam Geräusche von sich geben. Ihr blieb das Herz für eine Sekunde stehen und ohne weiter darüber nachzudenken und auf die Blutlache zu achten, stürzte sie zu ihm, dabei trat sie mit ihrem rechten Fuß in das ausgetretene Blut des Professors und hinterließ einen Teilabdruck ihres Sohlenprofils auf dem Boden.
Vielleicht lebte er noch, hatte sie sich getäuscht und er war noch gar nicht tot. Doch ein Blick in das Gesicht des Professors sagte ihr, dass er nicht mehr lebte. Er war ins Land des Westens übergegangen, wie Isis immer so treffend zu sagen pflegte. Kurz bückte sie sich und schloss Hermann Dietz die Augen.
Gerade hatte sie sich wieder aufgerichtet und verstaute die Fotos in ihrer Tasche, als sie aus dem nebenan liegenden Raum Stimmen hörte. Danach wurden Stühle gerückt. Wie es aussah, würden dort gleich jede Menge Studenten aus dem Raum strömen und an der offenen Tür vorbeikommen. Wenn man sie hier vorfand, würde sie jeder für die Mörderin des Professors halten.
Panik überfiel Karla. Man durfte sie hier keinesfalls antreffen. Sie musste weg!
Sie sprang auf und lief zur Tür. Dort angekommen, drehte sie sich noch einmal um und entdeckte die blutigen Fußspuren. Sie sah an sich herunter und merkte, dass die Teilabdrücke von ihr stammten.
Fluchend zog sie den rechten Schuh aus. Die halbe Sohle war in Blut getränkt. Damit konnte sie nicht weitergehen, ohne dass es auffiel. Erst musste sie die Sohle säubern.
Vorsichtig steckte sie ihren Kopf aus dem Büro und warf einen Blick auf den Flur. Niemand war zu sehen. Schnell verließ sie das Büro, schloss die Tür und humpelte über den Flur auf der Suche nach einer Toilette.
Auf dem Klo war glücklicherweise niemand, aber das konnte sich sehr bald ändern. Wahrscheinlich war es Viertel vor zwölf, wo die Seminare und Vorlesungen in den meisten Universitäten endeten. Eine schlechte Zeit, die sie sich ausgesucht hatte, um das Büro zu verlassen und ihren Schuh zu säubern. Nur wäre es nicht besser gewesen, wenn sie geblieben wäre. Zu groß war die Gefahr, dass jemand ins Büro trat und sie und den toten Professor fand. Das konnte sie nicht riskieren. Niemand würde ihr glauben, dass nicht sie es gewesen war, die Hermann Dietz getötet hatte. Also war sie lieber erst gar nicht mehr im Büro anzutreffen.
Karla öffnete den Wasserhahn und hielte ihre blutige Schuhsohle unter den Wasserstrahl. Glücklicherweise war das Blut noch frisch und nicht angetrocknet, sodass es sich schnell entfernen ließ.
Sie zog sich gerade wieder den Schuh an, als die Tür aufging und jemand hereinkam.
Der Wissenschaftsjournalistin brach sofort der Schweiß aus, obwohl gewiss noch niemand den toten Professor entdeckt haben mochte. Trotz ihrer Panik und dem Wunsch aufzuspringen und wegzulaufen, blieb sie ruhig und band sich eine Schleife. Als sie diese Arbeit beendet hatte, stand sie auf und verließ gemäßigten Schrittes die Toilette. Ihr fiel nicht auf, dass sie eine Wasserspur hinterließ.
Voraussichtlich Ende September wird der neue Thriller mit Isis Just erscheinen. Weitere Informationen dazu auf der Facebook-Seite von Helen Dalibor.