Muss ich einen Verlag bezahlen?

Letztes Jahr las ich immer wieder in verschiedenen Gruppen, dass jemand eine Email von einem Verlag bekommen habe, dem man doch bitte sein Manuskript zuschicken soll.
Schon diese Anfrage mit der Bitte um ein Dokument ist seltsam, dass man hellhörig werden muss. Welcher seriöse Verlag bittet freiwillig um einen Text, zwecks Veröffentlichung.
Tja, das muss doch einen Haken haben, oder nicht? Richtig, den hat es. Nicht nur, dass besagte Verlage ganz schön pampig reagieren, wenn man sie ignoriert und oft noch eine Mail rausschicken, man solle nun endlich mit seinem Manuskript kommen, nein, man hat nun fast ein schlechtes Gewissen hat, weil man dort noch nichts hingeschickt hatte.
Wenn es dann jemand macht, wird er tatsächlich angenommen, aber nun kommt’s. Leider ist die Veröffentlichung nicht kostenlos, man muss Geld bezahlen. Nicht nur einen kleinen Betrag und eine erkleckliche Summe, dazu kommen noch Lektorat und Korektorat. Diese ganzen Leistungen müssen alle einzeln bezahlt werden, sodass man schnell in einem vierstelligen Bereich liegt. Hat man nun das Buch veröffentlicht, wartet man gespannt darauf, endlich zu veröffentlich und kommt das Buch dann raus, wird man vermutlich enttäuscht sein, wenn die ersten Überweisungen der verkauften Exemplare sieht. Besonders hebt sich das nicht hervor. Dabei will man doch die Summe hereinbekommen, die man für das Buch ausgegeben hat. Nur das wird dauern.
Wieso muss ich überhaupt Geld bezahlen, wenn ich in einem Verlag veröffentlichen will? Muss man nicht. Seriöse Verlage, keine Druckkostenselbstverlage, berechnen nichts für Lektorat und Korektorat. Das gehört dort zum Standardprogramm. Auch zwingen sie einen nicht dazu, unbedingt schnell zu veröffentlichen, wenn man sich noch unsicher ist, ob man es wirklich machen soll.
Aber die Zuschussverlage, die wollen nun einmal Geld sehen. Und man wundert sich, wie leicht sie es immer haben, das Geld ahnungsloser Autoren zu bekommen. Ich wurde letztes Jahr von den Mails eines solchen Verlags verschont, hörte aber immer genug davon. Die einen wussten nicht, ob dieser Verlag seriös ist, die anderen versuchten ihn einfach zu ignorieren. Mit dem Erfolg, dass sie eine bitterböse Mail bekamen, sie sollen endlich ihr Manuskript herausrücken. Entweder brauchte dieser Verlag dringend Geld oder er versuchte, die Zauderer einzuschüchtern.
Will man ein Buch bei einem Verlag veröffentlichen, sollte man immer darauf achten, dass man kein Geld hinzuschießen muss. Denn man hat sich schon genug Arbeit mit dem Schreiben gemacht, da muss man nicht noch Geld für ausgeben. Das macht der seriöse Verlag für einen. Deshalb sollte man Verlage, die Geld von einem wollen, immer ignorieren. Sie wollen sich nur an einem bereichern, man selbst sieht dabei in die Rohr.
(Helen Dalibor)

Adventskalender 19. Dezember – Zuviel kann es niemals sein

Zuviel kann es niemals sein
Der Weihnachtsbaum war aufgebaut worden und die Kisten mit dem Tannenbaumschmuck standen auch bereit.
Es war ihr genau gesagt worden, was sie benutzen sollte. Die Porzellansachen blieben in ihren Verpackungen, weil es sein könnte, dass die Kinder sie herunterreißen könnten. Stattdessen sollte sie die goldenen Anhänger verwenden. Allerdings nur mit Handschuhen anfassen.
Sie kannte die Sonderwünsche ihrer Kunden, die sie strikt einzuhalten hatte, wenn sie wollte, nächstes Jahr wieder gebucht zu werden.
Bei diesem Job verdiente sie gutes Geld und verdiente innerhalb weniger Tage so viel, wie sie sonst in einem Monat verdiente. Für diese Arbeit nahm sie sich immer vor Weihnachten frei und wenn sie einmal nicht genau die Tage bewilligt bekam, die sie haben wollte, dann war sie eben krank. Ein Attest wurde erst ab drei Tagen gefordert, aber selbst das hätte sie ohne weiteres besorgen können.
Problem würde es höchstens geben, dass sie ihren Nebenjob nicht auf ihrer Arbeit angemeldet und genehmigt hatte, aber einen Gewerbeschein hatte sie sich dafür geholt. Das war steuerlich alles in Ordnung und das war die Hauptsache.
Eigentlich war sie durch einen Zufall darauf gekommen, das Tannenbaum schmücken als Service anzubieten. Sie hatte ihren eigenen Baum geschmückt und als eine Freundin vorbeigekommen war, war diese so begeistert gewesen und hatte sie gebeten, auch ihren Weihnachtsbaum zu schmücken. So war das eine zum anderen gekommen und ehe sie es sich versah, bekam sie im Jahr darauf auf einmal Anfragen von Freunden und Bekannten ihrer Freundin, die sie gar nicht kannte. Alle wollten den Baum von ihr geschmückt bekommen.
Was denen zu lästig war, konnte sie nur freuen, denn für sie war es leicht verdientes Geld.
Innerhalb von zwei Stunden wollte sie den Baum geschmückt haben. Hier war sie das erste Mal, weshalb sie einen Zeitpuffer von anderthalb Stunde hinzuzählte, falls sie in der angestrebten Zeit nicht fertig werden würde.
Mal sehen, was man außer den Blechanhängern noch alles hatte. Silberkugeln aus Plastik. Die paßten nicht wirklich zu goldenen Anhängern. Was gab es noch. Rote Girlanden und Ketten. Das war schon besser. Dazu ein Stern, der einen Halter wie ein Eierbecher hatte. Wo hatten sie dieses hässliche Blechding her? Hatte das jemand selbst gemacht? Scheußlich! Aber wenn das jedes Jahr die Spitze geziert hatte, würde es das jetzt auch tun.
Gut, was machte sie mit den ganzen Sachen, wo nichts wirklich zusammenpasste? Oben könnte sie die goldenen Anhänger dranhängen. Dort würden sie auch viel besser zur Geltung kommen. Dann kämen die roten Ketten und Girlanden, die sich schließlich mit den silbernen Kugeln vermischen würden. So hatte sie die Farben alle getrennt voneinander und dennoch würde es so wirken, als wäre alles miteinander verschmolzen.
Nach etwas mehr als zwei Stunden war sie fertig und besah sich ihr Werk. Das sah sehr gut aus. Jetzt noch schnell ein Foto machen, damit sie einen Beweis hatte, wie es ausgesehen hatte, als sie fertig war, damit sich ihre Kunden später nicht beschweren konnten.
Den Hausherren könnte sie jetzt holen, damit er ihr Werk versah und sie ihm die Rechnung geben könnte. Eine Anzahlung hatte sie bereits erhalten, nun war der Rest fällig. Danach auf zum nächsten Termin. Heute würde sie wieder knapp fünfhundert Euro verdienen, dafür musste sie allerdings noch zu zwei Terminen. Da würde es allerdings schnell gehen, weil sie bei diesen Kunden bereits in den letzten Jahren tätig gewesen war.
Eigentlich war der Dezember doch der schönste Monat des Jahres, vor allem was das Geld anging, was sie dann zusätzlich verdiente.
(Helen Hoffmann)

Adventskalender 12. Dezember – Es klirrt und scheppert unterm Weihnachtsbaum

Es klirrte – wieder einmal. Die wievielte Kugel war das jetzt? Sie hatte aufgehört zu zählen.
Warum hingen überhaupt Glaskugeln am Baum und keine aus Plastik? Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass in den letzten Jahren irgendetwas anderes als Plastikkugeln im Baum gehangen hatten.
In diesem Jahr hatte ihr Mann allerdings Packungen mit Glaskugeln mitgebracht. Die wären dieses Jahr angesagt, hatte er behauptet und sie ihr in die Hand gedrückt.
Sie hatte nicht widersprochen, obwohl sie ein schlechtes Gefühl bei den Kugeln hatte. Es hatte sie nicht getrogen.
Seitdem der Baum im Wohnzimmer stand und geschmückt war, verging kein Tag, wo nicht mindestens eine Glaskugel herunterfiel und in tausend Teile zerbrach. Mindestens eine Packung war schon kaputt gegangen, obwohl sie die Kugeln so an den Zweigen befestigt hatte, dass sie eigentlich nicht herunterfallen konnten.
Ihren Mann schien das wenig zu interessieren, Hauptsache man folgte dem Trend. Dabei war sie froh gewesen, als vor Jahren die ersten Plastikkugeln zum Verkauf angeboten wurden. Endlich keine Scherben mehr, kein teures Nachkaufen. Und dann kam ihr Mann wieder mit Glaskugeln an, weil diese ihre Renaissance erlebten. Es war nicht zu fassen! Was er sich dabei nur gedacht hatte?
Die Kugeln aus Glas wurden seit drei oder vier Jahren wieder angeboten. Das Sortiment war anfangs überschaubar gewesen, aber jetzt konnte man froh sein, wenn ein Laden noch Plastikkugeln anbot.
Sie konnte nicht verstehen, wer so etwas freiwillig an seinen Baum hängte. Das ging alles nur kaputt, so sorgsam man es an den Zweigen befestigte.
Wahrscheinlich hatten die Läden so viele Glaskugeln im Sortiment, weil sie wussten, wie viele pro Jahr zu Bruch gingen. Das war Berechnung. Die Glaskugeln fielen zu Boden, zerbrachen und man musste Ersatz anschaffen, nur damit diese wieder kaputt gingen. Ein ewiger Teufelskreis.
Damit wurde Geld verdient, denn Glaskugeln gingen immer welche kaputt, während Plastikkugeln ewig hielten.
Nur deshalb sollten die Leute gezwungen werden, in Glas anstatt in Plastik zu investieren. Selbst ihr Mann war darauf hereingefallen.
Wie klirrte und schepperte es wieder. Jetzt reichte es ihr! Das war die allerletzte Glaskugel, die sie vom Boden auffegte. Die anderen kamen zurück in ihre Kästen und durften im Keller verstauben. Sie würde wieder die Plastikkugeln aufhängen. Diese waren zeitlos und sie musste nicht zur Kehrschaufel greifen, wenn sie zu Boden fielen.
In gut sortierten Läden konnte man Plastikkugeln in allen möglichen Trendfarben erhalten, die gerade angesagt waren, wenn man jede Farbe mitmachen wollte. Ihr reichten rot und gold vollkommen aus.
Am Abend kam ihr Mann nach Hause. Strahlend sah er den Weihnachtsbaum an.
„Gib’s zu“, sagte er. „Mit Glaskugeln wirkt der Baum viel festlicher.“
Sie nickte stumm. Ihr Mann hatte nicht bemerkt, dass sie seine Glaskugeln durch ihre aus Plastik ersetzt hatte.
(Helen Dalibor)

Adventskalender 11. Dezember – Ein Christbaum ist manchmal nur eine Tanne

„Sieh dir den an. Ist der nichts?“, fragte Andrea.
Er warf erst einmal einen Blick aufs Preisschild, bevor er sich den Baum ansah.
„45 Euro! Spinnst du?“, entfuhr es ihm. „Ist der vergoldet oder am Nordpol gewachsen?“
Beleidigt legte seine Freundin den Baum wieder weg. Einmal im Jahr konnte man auch mal über die Strenge schlagen. Jan hingegen musste überall den Nutzen sehen, bevor er auch nur einen Cent ausgab. Wieso wollte er überhaupt einen Tannenbaum, wenn er es für Geldverschwendung hielt? Wahrscheinlich wollte er ihr einen Gefallen tun. Großartig! Einen Baum für unter dreißig Euro, der nicht nur einen Meter hoch war, gab es schon lange nicht mehr.
„Dann geh zum Discounter und kauf die Katze im Sack. Dort kannst du für fünfzehn Euro einen Baum kaufen, weißt aber nicht, wie die Zweige gewachsen sind. Wenn du eine Krücke haben willst, mir soll es recht sein. Dein Bruder wird dich auslachen.“
Spöttisch verzog sie das Gesicht.
„Es wird doch noch Bäume geben, die nicht ein Vermögen kosten“, sagte er trotzig.
„Tanken tust du doch auch und beschwerst dich nicht über den hohen Preis, den du zahlen musst.“
„Das ist ganz was anderes. Ich bin auf das Auto angewiesen, folglich ist die Geldausgabe für Benzin eine lohnende Investition.“
„Ja, ja, red‘ dich nur wieder heraus“, winkte sie ab und wandte sich wieder den Tannenbäumen zu.
Er wanderte ebenfalls durch die Reihen der angebotenen Bäume, aber sobald er die Preise sah, wandte er sich schaudernd ab. Was rechtfertigte den Preis für eine lumpige Tanne?
Etwa sieben Jahre musste ein Setzling wachsen, bevor er als Weihnachtsbaum endete. Rechtfertigte die lange Zeit den hohen Preis? Die Nachfrage war jedenfalls nicht gestiegen und weniger Tannenbäume gab es auch nicht. Nein, die Preise ließen sich bestimmt nicht damit begründen, dass alles teurer wurde.
Was war denn das? Der Baum sollte nur 22 Euro kosten? Der war mindestens zwei Meter hoch. Den musste er haben.
Jan wühlte sich durch die Tannen bis er den Baum hatte, der so wenig kosten sollte.
Der sah doch ganz schön aus. Buschig, kein Loch zu sehen, gerade Wuchs. War die Tanne falsch etikettiert worden?
Er zog sie aus dem Wust heraus und sah sie sich genauer an. Jetzt erkannte er den Grund für den spottbilligen Preis. Der Baum war ein siamesischer Zwilling. Unten teilte der Stamm sich auf einmal in zwei auf. Ein doppelter Baum mit zwei Stämmen und zwei Spitzen. Ob man die beide schmücken sollte oder nur eine, damit es weniger auffiel? Egal, den Baum nahm er mit, der war billig.
„Andrea!“, rief er. „Ich habe unseren Baum gefunden.“
Sein Ruf holte nicht nur seine Freundin, sondern lockte auch den Tannenbaumverkäufer.
„Was ist denn das? Willst du den etwa kaufen? Ach so, verstehe“, sagte sie lachend, nachdem sie den Preis gesehen hatte. „Das hat dich natürlich überzeugt.“
Jan verstand nicht, was seine Freundin so lustig an dem Baum fand. Der war gut gewachsen, obwohl er zwei Stämme hatte. Vielleicht gerade wegen der doppelten Stämme.
„Da haben Sie sich den besten meiner Bäume ausgesucht“, ergriff der Verkäufer das Wort. „Um dieses Unikat wird sie jeder bewundern.“
„Denk an deinen Bruder“, japste Andrea, die sich immer noch nicht beruhigt hatte. Ihr Freund wollte diese Krücke wirklich kaufen, kaum zu glauben.
„Der wird neidisch sein, besonders wenn er den Preis hört“, sagte Jan und besiegelte den Verkauf.
Das war einmal ein Schnäppchen nach seinem Geschmack.
(Helen Hoffmann)

#OktoberGeheimnisse Tag 30 – Was würde sich dein Autor wünschen, wenn ihm eine gute Fee drei Wünsche verspricht?

Das weiß ich! Das weiß ich!
Als allererstes wünscht sich Helen erst einmal, dass sie mindestens eine niedrige siebenstellige Geldsumme auf ihrem Konto hat. Es darf auch ruhig mehr sein, aber der niedrigste Wert darf 1.000.000 nicht unterschreiten.
Geld bedeutet Sicherheit und wenn man immer ausreichend Geld zur Verfügung hat, kann man auch sofort bei irgendetwas zuschlagen, wenn es sein muss. Denn wie heißt es im Juristendeutsch so schön: Geld hat man zu haben…
Tja, deshalb Geld, auch wenn Helen dann nicht ständig am kaufen und kaufen ist. Sie wird genauso überall die Preise vergleichen, ob sie nun eine siebenstellige Summe auf dem Konto hat oder nicht.
Der zweite Wunsch ist eine funktionierende Zeitmaschine. Ich weiß wirklich nicht, woher sie das hat, aber seitdem sie neun Jahre alt ist, redet sie von nichts anderem. Bisher hat es noch keine gegeben und ich glaube auch nicht, dass es tatsächlich eine geben wird. Bei Yoko Tsuno gibt es so was, aber in der Realität geht es einfach nicht. Schade eigentlich, denn ich wäre auch mal gern zu Hatschepsut gereist.
Der dritte Wunsch ist ganz einfach. Helen wünscht sich weitere drei Wünsche. So wird das unendlich weitergehen bis sie gar nicht mehr weiß, was sie sich eigentlich alles wünschen soll.
Aber nicht übertreiben, hörst du?
(Helen Dalibor)

#charaktersofseptember Tag 29 – Wenn du eine Sache ändern könntest, was wäre das?

Wenn sich ein Kunstwerk als NS-Raubgut herausstellt und an die Nachfahren der früheren Besitzer zurückgegeben wird, landet das Kunstwerk in neun von zehn Fällen auf einer Auktion und verschwindet in einer Privatsammlung, wo es nie mehr oder kaum in der Öffentlichkeit gesehen wird. Das halte ich für falsch. Wenn es zuvor in einem Museum war, sollte das Kunstwerk auch in einem Museum verbleiben und zwar dem, was die Nachfahren auswählen. Von dem Museum bekommen sie eine jährliche Gebühr, dass diese das Kunstwerk ausstellen. Das darf natürlich keine exorbitant hohe Summe sein, sonst können sich das nur die wirklich großen Museen leisten.
Das Kunstwerk bleibt zugänglich für die Öffentlichkeit und die Besitzer davon bekommen noch Geld dafür. Das mögen vielleicht keine Millionen sein, die sie mit einer Auktion verdienen würden, aber sie tun so etwas für die Kunstliebhaber auf der ganzen Welt. Sie lassen es frei zugänglich für die Öffentlichkeit.
(Helen Dalibor)

10. Kapitel

Hamburg-Barmbek
Der Schreck, der ihm in die Glieder gefahren war, als er die Schlagzeile in der Zeitung gesehen hatte, steckte immer noch in ihm.
Ein Mord war in der heutigen Zeit nichts besonderes. Doch dieser Mord hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Vor wenigen Wochen hatte er den Juwelier aufgesucht, damit dieser die Kette schätzte. Nun war dieser tot. Konnte das Zufall sein? Er wußte nicht, warum er einen Zusammenhang zwischen seiner Kette und dem gewaltsamen Tod des Juweliers vermutete. Aber aus genau diesem Grund war ihm Angst und Bange geworden. Schließlich wußte er nicht, ob der Mord etwas mit seinem Besuch zu tun hatte.
In dem kurzen Artikel war etwas von einem Gegenstand erwähnt worden, der zu fehlen schien, aber auf Fotografien erhalten war. Dunkel erinnerte er sich daran, daß der Juwelier mit der Kette in die hinteren Räume gegangen war. Angeblich um die Reinheit des Goldes zu überprüfen. Hätte er da nicht die Möglichkeit gehabt, die Kette zu fotografieren? Die Zeit hätte er gehabt. Nun wurde ihm einiges klar. Der Juwelier hatte den Wert des Schmuckstücks erkannt und wollte sein eigenes Geschäft machen. Deshalb war er in die hinteren Räume gegangen und hatte die Kette fotografiert. Deshalb hatte er sie auch im Geschäft behalten wollen. Hätte er die Kette da gelassen, er hätte sie sicherlich nie mehr wiedergesehen. Wie gut, daß er seinem Gefühl gefolgt war, dem Juwelier nicht zu trauen. Nun war der Juwelier tot und die Fotos mit der Kette befanden sich in den Händen der Polizei. Ihm wurde mulmig bei dem Gedanken, daß nun die Kette bekannt war. Vielleicht war sogar jemand aus dem Polizeidienst in dem Forum aktiv. Damit mußte er rechnen. Solche Foren blieben nicht lange verborgen. Sicherlich wurde es überwacht. Vielleicht hatte ihm sogar ein Polizist ein fiktives Angebot geschickt. Er mußte die beiden Gegenstände schnellstens loswerden. Sie hatten ihm von Anfang an nichts als Ärger gebracht. Den Fund hätte er gleich melden sollen, anstatt ihn mit nach Hause zu nehmen. Doch er hatte das Geld gewollt, brauchte es, denn Geld brauchte man immer. Und nun machten sie ihm nichts als Ärger.
Sein Blick fiel auf das Betttuch, das er über den Krug gestülpt hatte. In der Ecke des Zimmers störte der Krug ihn am wenigsten. Bedrohlich erschienen ihm die Umrisse, die sich unter dem Stoff hervorhoben.
Weg mußte das Zeug, raus aus seiner Wohnung, aus seinem Besitz. Egal wie viel ihm angeboten wurde, er würde das höchste Gebot nehmen und dann die Dinger abstoßen und den Zaster nehmen.
Er ging zu seinem Computer und schaltete ihn ein. Das Gebot von vorgestern, wo 2.000 Euro geboten wurden, klang viel versprechend. Also würde er dem Bieter eine positive Antwort geben. Schon als er den Internet Explorer aufrief, bemerkte er, daß das Internet sehr langsam lief. Bis die Startseite des Forums geladen war und er sich angemeldet hatte, vergingen einige Minuten. Das Postfach seines Benutzernamens enthielt noch einige neue Nachrichten, die er sich ansah und sie grob überflog bis er den Preis für ein Gebot fand. Doch keine der Nachrichten enthielt auch nur annähernd ein Gebot, daß dem entsprach, dem er den Zuschlag geben wollte.  Er schien sich im falschen Forum angemeldet zu haben. Niemand war bereit für die beiden Gegenstände viel Geld auszugeben. Vielleicht fürchteten sie, daß es sich um Schmuggelware handelte. Doch was waren denn die anderen Objekte, die dort angeboten wurden? Handelte es sich nicht um Diebesgut oder war die Herkunft der Gegenstände bloß nicht mehr nachzuvollziehen? Seine Objekte stießen nur auf geringes Interesse, damit mußte er sich abfinden. Erneut rief er die Hauptseite seines Postfaches auf, in dem Augenblick, wo er die Nachricht des Bieters anklicken wollte, der den Zuschlag erhalten sollte, kam eine neue Nachricht herein. Kurz überlegte er, ob er die Nachricht anklicken sollte, doch als er den Betreff las, wo eine 3000 stand, klickte er die Nachricht ohne zu zögern an. „Ich biete 3.000 Euro für die beiden Objekte. Falls jemand anderes mehr bieten sollte, biete ich 500 Euro mehr als dessen abgegebenes Gebot. Kommen Sie aber nicht auf die Idee das Angebot höher zu schrauben, als das Höchstgebot eigentlich ist. Ich habe Freunde, für die es kein Problem sein wird, ihre eingegangenen Nachrichten zu überprüfen, selbst wenn sie diese gelöscht haben sollten.“
Der Anbieter oder die Anbieterin – eigentlich konnte es bei der harten Formulierung keine Frau sein – mit dem Benutzernamen Putti schien genau zu wissen, was er wollte. Das gefiel ihm. Und das Gebot war in Ordnung. 3.000 Euro waren 1.000 Euro mehr als das Gebot des anderen Bietenden. So war das Leben, nur der mit dem meisten Geld kam an sein Ziel.
Er klickte mit dem Pfeil auf den Antwortknopf. Wer sich auch immer hinter dem Benutzernamen Putti verbarg, diese Person würde sich freuen.

9. Kapitel

Die Zeitung berichtete am nächsten Tag ausführlich über den Mord an dem Juwelier. Isis überflog den Artikel desinteressiert. Die Kette, die gestern noch als mögliches Diebesgut gehandelt wurde, war mit keinem Wort erwähnt worden. Waren die Ermittler zu der Überzeugung gekommen, daß daß Schmuckstück nichts mit dem Mord zu tun hatte? Es waren nur Fotografien gewesen. Vielleicht hatte sich die Kette nie in dem Besitz des Juweliers befunden. Möglicherweise hatte jemand, vielleicht die Person, die im Internet beide Gegenstände anbot, die Kette dem Juwelier zur Ansicht gegeben, um sie schätzen zu lassen. Aber warum hatte der Juwelier dann Fotos gemacht? Das ergab doch alles keinen Sinn.
Die Kette sollte geschätzt werden und der Juwelier fertigte Fotografien an. Dieses Vorgehen erschien ihr äußerst rätselhaft. Darum sollte sich die Polizei kümmern. Vielleicht könnte die das Rätsel lösen.
Isis beschäftigte im Moment vielmehr, wie hoch sie ihr Gebot setzen sollte, um wirklich den Zuschlag für die Kette und die Vase zu erhalten. Mona hatte sie gewarnt, das Gebot nicht über ihren heimischen Internetanschluß abzugeben, da es durch die IP-Adresse zurückzuverfolgen sei. Für diesen Tip war Isis dankbar, da sie an so etwas nicht gedacht hatte und gewiß die Möglichkeit bestünde, daß die Polizei eingeschaltet würde. Wenn Prof. Winter den Zuschlag nicht bekäme, würde er so handeln, Isis kannte ihn. Und wenn sich dann im Laufe der Ermittlungen herausstellte, daß sie die Gegenstände ersteigert hatte, würde sie nicht nur ihre Stelle an der Uni verlieren, die ohnehin nicht fest und nur befristet war, sondern für alle Zeiten gebrandmarkt sein. Sie mußte anonym bleiben. So konnte sie in aller Ruhe sich die beiden Objekte ansehen. Später könnte sie immer noch sagen, daß die beiden Objekte in ihren Besitz übergegangen waren, doch erst einmal mußte sie sie wissenschaftlich untersuchen. Sie mußte klären, was sie an beiden Gegenständen so faszinierte.
Stellte sich nur noch die Frage, wie viel sie bieten mußte, um den Zuschlag zu erhalten. Sie hatte ihre Ersparnisse gezählt, die sie im Bankschließfach aufbewahrte. Knapp siebentausend Euro waren es. Geld, das sie sich einmal im Jahr ansah, etwas dazulegte und dann wieder zurücklegte. Falls sie unerwartet sterben sollte, würde das Finanzamt sich freuen. Kleinvieh machte auch Mist. Das Geld war für Notfälle gedacht. Anfangs hatte sie es auf einen Laptop gespart. Nachdem sie einen tragbaren Computer geschenkt bekommen hatte, auf eine Reise und schließlich auf ein Auto. So war der Geldbetrag langsam aber stetig angewachsen. Kein Vermögen, das sie angehäuft hatte. Das wirkliche Vermögen, das Erbe ihres Großvaters, befand sich in einer großen Truhe. Kein Geld oder Schmuck, sondern jede Menge Tagebücher.
Im Augenblick war Isis gerade dabei die Tagebücher chronologisch zu ordnen. Die Arbeit war recht simpel, im Vergleich zu dem, was ihr noch bevorstand: Die Inhalte der Tagebücher zu lesen. Altdeutsche Schrift, Sütterlin, so hatte man teilweise noch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben, doch seitdem benutzte man die Schrift, mit der Isis aufgewachsen war. Die lateinische Schrift, die sich aus dem griechischen Alphabet entwickelt hatte. Nur die gedruckte Frakturschrift konnte Isis noch lesen und natürlich die Hieroglyphen. Und wenn sie es recht bedachte, dann war die altdeutsche Schrift nichts anderes als das hieratische. Die Schreibschrift der Hieroglyphen. Auch nicht leicht zu lesen, doch mit einiger Übung war dies kein Problem. Karla hatte Recht, wenn sie sagte, die altdeutsche Schrift bestehe nur aus Linien. Mehrere Male hatte Isis bereits versucht die Einträge zu lesen, doch gelang es ihr nur in einzelnen Passagen. Sie mußte ihre Großmutter um Hilfe bitten, die Texte für sie zu transkribieren.
Über sechstausend Euro hatte sie beiseite gelegt. Viel Geld für Isis und noch viel mehr für Karla oder Mona. Und dieses kleine Vermögen wollte die junge Ägyptologin nicht ganz ausgeben. Für etwas, von dem sie nicht wußte, ob es überhaupt etwas wert war. Wenn sie es recht bedachte, wollte sie für die Gegenstände gar kein Geld ausgeben, nicht einen Cent. Sie hing an jedem einzelnen Euro. Nicht das sie geizig war, aber sie überlegte so lange das Für und Wider einen gewissen Geldbetrag auszugeben, bis es das Angebot nicht mehr gab.
Etwa 3500 Euro konnte sie erübrigen, für eine Weile. Sie konnte nur hoffen, daß der Betrag ausreichen würde, damit sie den Zuschlag erhielte.
Am Nachmittag wollte sie einen öffentlichen Internet-Terminal aufsuchen, eine neue Email-Adresse einrichten und dann ihr Gebot abschicken, nachdem sie sich bei dem Forum angemeldet hatte. Zwar hatte sie sich bereits mit einer ihrer vielen anderen Email-Adressen bereits bei dem Forum angemeldet, doch den bereits eingerichteten Account wollte sie wieder löschen, um einen neuen Benutzernamen einzurichten. Niemand sollte die Spur zu ihr zurückverfolgen können. Karla ging bei so etwas weit nachlässiger um, stellte sogar Fotos von sich ins Internet. Mona fing damit auch an, zwar nur in StudiVZ und nur ihre virtuellen Freunde konnten diese Bilder sehen, doch selbst das hielt Isis für höchst gefährlich.
Einmal hatte Karla ungefragt Bilder von sich und anderen ins Internet auf ihre Blogseite gestellt, ohne sich dabei was zu denken, ob jedem der Abgebildeten dies auch recht war. Und so hatte einer ihrer Freunde ihr sogar einen Prozeß angedroht, wenn sie nicht augenblicklich die Bilder zu entfernen gedachte, wo er drauf abgebildet war. Gernervt hatte sie die ganze Seite geschlossen, doch irgendwo im virtuellen Netz war diese Seite bereits für Jahre gespeichert worden. Nichts ging im Internet verloren, auch wenn man es von seiner eigenen Seite entfernte und löschte. Irgendwo war es noch. Isis war sich dieser Gefahr bewußt und hatte ihren Freundinnen schon vor Jahren eingeschärft, keine Bilder online zu stellen, wo sie drauf abgebildet war, nicht einmal in einen paßwortgeschützten Bereich. Bis jetzt hielten sich alle daran. Und da meist Isis die Fotos machte, war sie kaum auf einem Bild zu sehen, außer sie machte in Selbstporträt, was höchst selten vor kam.
Jeder Nutzer hinterließ Spuren im Internet und die versuchte Isis, so gut sie konnte, zu verwischen. Sie nutzte ihre Email-Adresse mit den Initialen ihres vollständigen Namens nur bei geschäftlichen und offiziellen Anlässen. Von der Universität hatte sie ebenfalls eine bekommen. Sie war frei im Netz verfügbar und stand auch am Ende des Vorlesungsverzeichnisses. Für Studenten und Professor Winter war sie auf diesem Weg erreichbar. Täglich mußte sie diesen ungeliebten Account öffnen und die blödesten Fragen von Studenten beantworten. Sogar von Mr. Filly war ganz zu Beginn ihrer Arbeit eine Mail in ihrem virtuellen Postfach gewesen. Ungelesen hatte sie diese gelöscht und seitdem nie mehr etwas von ihm gehört. Inzwischen hatte sie es sich sogar zu Eigen gemacht, nur noch die Emails von Professor Winter zu lesen und die der Studenten nur alle paar Tage. So wichtig waren die nun auch wieder nicht. Weder ihre Privat- noch ihre berufliche Email-Adresse gab sie weiter. Denn Isis hatte eine Menge anderer Email-Adressen, die sie häufig nutzte. Ein Spuren-Verwischungs-Programm nutzte sie nicht, obwohl sie immer überlegte, ob sie nicht doch eines installieren sollte. Aber ihr erschienen diese Programme suspekt und sie vertraute ihnen nicht, auch wenn sie mit ihnen anonym im Internet ihre Angelegenheiten erledigen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. Aber irgendwie würde sie auch mit den Programmen Spuren hinterlassen, dessen war sie sich sicher.
Bis zum Nachmittag mußte sie noch warten. Sie konnte nur hoffen, daß der Anbieter der beiden Objekte nicht bereits einen Zuschlag ausgesprochen hatte. Dann wäre sie zu spät gekommen und die beiden Gegenstände würden irgendwo für immer verschwinden und sie hätte keine Möglichkeit mehr sie zu untersuchen.
Und das war ihr so wichtig. Irgend etwas sagte der jungen Ägyptologin, das der Krug ein Geheimnis barg, daß den Lauf der Geschichte deutlich beeinflussen würde.

7. Kapitel

Hamburg-Barmbek
Er klickte auf das Symbol seines Browsers im Startmenü. Die Startseite des Forums erschien und er loggte sich mit seinem Benutzernamen ein. Der Bildschirm veränderte sich. Nun konnte er das Unterforum aufrufen, in dem er seine beiden Objekte zum Kauf anbot. Als er auf die Spalte sah, wo die Anzahl der Aufrufe der Seite stand, nickte er zufrieden. Die mehrstellige Zahl erfreute ihn. Er rief die Seite nicht auf, es waren keine Antworten seit erstellen des Themas geschrieben worden. Die Angebote sollten als persönliche Nachricht an ihn geschickt werden. So klickte er nun auf den aufleuchtenden Briefkasten. Die Anzahl der Nahrichten enttäuschte ihn dann doch, es waren weit weniger, als die Anzahl, die sein Angebot angesehen hatten. Erwartet hatte er nicht, daß alle, die sein Thema aufrufen würden, auch ein Gebot abgegeben hatten. Doch mit einigen Geboten mehr, hatte er dann doch gerechnet. Vielleicht würde es noch besser werden. Damit rechnete er allerdings nicht. Zu suspekt erschien den meisten sein Angebot. Es war zu erwarten gewesen.
Er klickte die erste Nachricht an und begann lauthals zu lachen.
„Zehn Euro? Vergiß es! Für zehn Euro nehme ich doch nicht dieses Risiko auf mich. Da bekommt man nicht einmal eine billige Kopie.“
Die nächsten Nachrichten enthielten nur Fragen, wo er die Objekte her habe, ob sie bereits in einem Buch publiziert worden waren, er versichern könne, daß es sich um keine Fälschungen handle oder ob er die Stücke auch einzeln verkaufe. Sicherlich würde er sie auch einzeln verkaufen, nur glaubte er nicht, daß er den Krug ohne die Kette verkaufen könnte. Wer wollte sich schon so ein Monstrum in seine Wohnung stellen? Diesen Staubfänger wurde er nur los, wenn er ihn zusammen mit der Kette anbot.
Er sah sich die nächste Nachricht an und sein Gesicht erhellte sich ein wenig. Sie enthielt ein Gebot über 1500 Euro. Wieder wurden seine Erwartungen nicht erfüllt. Schienen die beiden Objekte niemandem etwas wert zu sein? Hunderttausende hatte er nicht erwartet, aber nur 1500 Euro? Da sollte er die Zeit noch ein wenig verstreichen lassen und auf ein besseres Gebot hoffen. Dieses Gebot erschien ihm zu gering für das Risiko, das er mit dem Verkauf der beiden Objekte einging. Es mußte sich doch für ihn lohnen.
Er loggte sich aus, beendete daß Browser-Programm und schaltete den Computer aus. Er mußte zur Arbeit. Die letzten Reste des Schutts mußten verladen werden. Eine Arbeit, die er nicht mehr sehen konnte.