#aprilsettings Tag 19 – Gibt es Tiere an deinen Schauplätzen?

Kommt darauf an, um welches Buch es sich gerade handelt. Bei DIE ROLLEN DES SETH kommen einige Tiere vor und speziell ein Elefant namens Bertha. Die lebt in dem Stellinger Tierpark und wird unter anderem von Pascal versorgt, der dort als Tierpfleger arbeitet. Sie ist der Liebling der Kinder und sehr gelehrig. Angeblich kann sie sogar sprechen, aber ob das wirklich stimmt…
Die Handlung des Romans spielt einmal in dem Zeitraum von 1912 bis 1922 und von 2009 bis 2012. Das Tier, was immer wiederkehrt, ist der Elefant und zwar immer eine bestimmte. In der Handlung von vor über hundert Jahren ist es Bertha und in der von 2009 bis 2012 ist es Elefantin Mala. Während die letzte tatsächlich existiert, hat es erstere nicht gegeben. Es gab zwar tatsächlich einen „Liebling der Jugend“, aber die hatte einen anderen Namen. Außerdem waren die Elefanten damals nicht lange in dem Tierpark untergestellt, sondern wurden schnell weiter vermittelt, doch manchmal gab es eine Ausnahme…
In den nachfolgenden Romanen IM ZEICHEN DES DENKMALS, DAS GUTACHTEN DES TEUFELS und WIE ALLES BEGANN kommt dann Elefantin Mala vor. Im letztgenannten ist es der Hamburger Tierpark, weil die Handlung 2003 spielt, während Tausendschön in den anderen beiden Thrillern bereits im Pairi Daiza in Belgien lebt, wo sie im Juli 2012 hinziehen musste.
Ansonsten gibt es keine Tiere, die bei meinen Schauplätzen vorkommen. Natürlich schreibe ich auch mal von Löwen oder Tigern, aber in der Hauptsache geht es immer nur um einen Elefanten. Diesem widme ich auch jedes Buch. Es kann ihr zwar egal sein, aber ich denke, wenn sie davon wüsste, würde sie sich freuen. Mala hält nämlich sehr viel auf sich. Aber das ist eine andere Geschichte, die man vielleicht auch mal in einer Challenge oder Ähnlichem beantworten könnte. Warum widmet man jemand Bestimmten ein Buch.
(Helen Dalibor)

Nachwort

Nach Carl Zuckmayer war die Stadt Hamburg klein, dafür allerdings von einem riesigen Zauberreich umgeben, das viel bedeutender in der Vorstellung sei, als die Lüneburger Heide oder die Waterkant. Und das sei Hagenbeck. Das im Übrigen kein Eigenname sei, wie der Wilde Westen oder Alaska, sondern der Ausdruck für ein geheimnisvolles, unerforschtes Land, in das man sich sehne wie in die Erfüllung eines Abenteuers.
Noch heute steht Hagenbeck für den ersten gitterlosen Zoo, eröffnet im Mai 1907 vor den Toren Hamburgs in dem kleinen preußischen Ort Stellingen.
Eigentlich hatte Carl Hagenbeck sein Paradies für Tiere in seiner Heimatstadt eröffnen wollen. Dazu erwarb er ein Grundstück in Horn und wollte von der Stadt das umliegende Gebiet dazukaufen. Doch Hamburg weigerte sich, denn die Hansestadt hatte bereits einen Zoo, der sich am Dammtor-Bahnhof befand. So wich Hagenbeck nach Stellingen aus, das vor den Toren Hamburgs lag.
Bereits kurz nach der Eröffnung zeichnete sich ab, daß das neue Konzept vom gitterlosen Zoo ein voller Erfolg war. Die Besucherzahlen des Zoologischen Gartens in Hamburg gingen zurück und man überlegte dort fieberhaft, wie man für die Hamburger wieder attraktiv werden könnte. Noch dreiundzwanzig Jahre überlebte der Zoologische, bevor er für immer seine Pforten im Jahr 1930 schloß.
Die Völkerschauen waren bereits vor der Eröffnung des Tierparks in Stellingen ein Besuchermagnet gewesen. Die Menschen waren fasziniert von fremden Ländern. Nur gab es vor hundert Jahren nicht die Möglichkeiten, sich ins nächste Flugzeug zu setzen und den Ort seiner Wahl aufzusuchen. Schiffsreisen ermöglichten Reisen in entfernt liegende Länder wie die USA, Kanada, Ägypten oder Indien. Allerdings waren diese Reisen mit einigen erheblichen Strapazen verbunden. Um an seinen Zielpunkt zu gelangen, brauchte man mehrere Wochen und war zudem auf dem Meer den Wetterverhältnissen ungeschützt ausgesetzt.
So war es viel einfacher und vor allem günstiger, sich die fernen Welten direkt vor der eigenen Haustür anzusehen.
Doch mit den Jahren gab es Anstöße an den Bedingungen, wie die Menschen der Völkerschau während der Zeit leben mußten, zudem gab es immer bessere Möglichkeiten, sich selbst eine Reise in entferntere Länder zu leisten. So endeten Anfang der dreißiger Jahre die Völkerschauen in Hagenbeck‘schen Tierpark.
Ob es in der Zeit von 1912 bis zum 03. Oktober 1920 wirklich eine Elefantenkuh namens Bertha gegeben hat, ist mir nicht bekannt.
Zur damaligen Zeit existierte für die grauen Riesen nur ein Elefantenhaus, da die Rüsseltiere sich dort kurz aufhielten, um schnell an ihre weiteren Bestimmungsorte gebracht zu werden, wie andere Zoos oder einen Zirkus. Die große Elefantenanlage, die heute noch existiert, wurde erst 1937 eröffnet, nachdem im Jahr zuvor die Straße verschwand, die den Tierpark in zwei Teile geteilt hatte. Die Anlage steht auf dem ehemaligen Gelände der Völkerschauen, die Anfang der dreißiger Jahre ausliefen, da das Interesse der Menschen daran abgenommen hatte und nicht mehr zeitgemäß war.
Seit dem letzten Jahr wissen wir, daß ein Elefant durchaus in der Lage ist, zu lernen, einzelne Worte zu sprechen. Allerdings kann der Dickhäuter die Bedeutung der Worte nicht einordnen und sagt nicht das passende Wort in der richtigen Situation. Hingegen habe ich Bertha das Bewußtsein gegeben, genau zu wissen, was sie in der jeweiligen Situation sagen muß. Ich mag sie in diesen Szenen vermenschlichen, allerdings glaube ich, daß ein Elefant tatsächlich in der Lage ist, ein Wort zu sagen und dessen genaue Bedeutung zu kennen. Schließlich haben sie auch gelernt, was ein bestimmter Befehl bedeutet, der ihnen gegeben wird.
Bei Berthas Verhaltensweise habe ich möglichst versucht, dem naturgetreuen Verhalten eines Elefanten nachzukommen, so wie ich es bei den grauen Riesen beobachten konnte. Dabei blieb nicht aus, ein Vorbild unter den Elefanten zu haben, die ich kenne und die sich in Bertha alle wiederfinden. Es ist nicht nur ein Rüsseltier, da Berthas Charakter so vielfältig und komplex ist, wie ich ihn bei keinem einzigen Elefanten fand. So dienten als Vorbild Vilja, die im Juli 2010 verstorbene Elefantenkuh aus der Stuttgarter Wilhelma, die in jüngeren Jahren alles fraß, was ihr vor den Rüssel kam. Dann Shandra, die gegenwärtig in Hagenbeck lebt, sensibel ist und eingeschnappt reagiert, wenn es nicht direkt nach ihrem Kopf geht. Dieses Verhalten nenne ich Charakter besitzen, obwohl jeder Elefant Charakter hat. Aber damit meine ich, daß Shandra sich nicht bestechen läßt, wenn sie beleidigt ist. Und zu guter Letzt trägt Bertha die Züge von Jenny, die gegenwärtig in Karlsruhe lebt. Sie ist meiner Meinung nach, die schlaueste Elefantenkuh, die ich kenne. Wobei ich damit nicht sagen möchte, daß die anderen Elefanten dumm seien, denn aus sie sind klug und durchaus gewitzt. Doch Jenny ist für mich der Elefant, der mir am meisten bedeutet. Und so war es für mich selbstverständlich, daß sie durch Bertha dargestellt werden sollte. Aber wie es so ist im Laufe des Schreibens, stahl sich noch eine weitere Dickhäuterin in Berthas Charakter. Das ist Mala, die am 04. Juli 2012 den Tierpark Hagenbeck verlassen mußte, da für sie kein Platz mehr war. Als „Tausendschön“ setzte ich ihr ein weiteres literarisches Denkmal, da ich der Überzeugung bin, daß sie maßlos unterschätzt wurde und wird. Viele haben in Mala nur einen langweiligen Elefanten gesehen, der ständig mit dem Kopf nickte, also webte, oder nur ans Fressen dachte. Doch Mala war und ist viel mehr als diese Eigenschaften, die oberflächliche Blicke wahrnahmen. Doch so haben sie leider viele gesehen und das war mitunter auch ein Grund, warum Mala gehen mußte. Dabei ist die alte Socke – ja, es ist Malas Spitzname, den Pascal für seine Bertha nutzt – unheimlich klug und gelehrig. Verfressen mag sie sein, das gebe ich gerne zu. Doch sie war und ist die liebenswürdigste Dickhäuterin, die ich je kennengelernt habe. Doch vor zwei Jahrzehnten hatte sie sich selbst ins Abseits katapultiert, war das fünfte Rad am Wagen geworden. Solange es noch das Elefantenreiten gegeben hatte und sie als Husseins Gesellschafterin fungieren durfte, war sie gut genug. Nachdem beides wegfiel, paßte die Dickhäuterin nicht mehr ins Konzept, das von einer „gewachsenen“ Herde aus Müttern, Tanten und Jungtieren besteht. Dabei hat diese Herde ebenfalls einen Elefanten, der aus dem Rahmen fällt. Auf die alte Socke könnte man den guten alten Spruch verwenden: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.
Mala zog ins belgische Brugelette und stand dort monatelang allein auf einer Anlage. Nachdem sie sich dort recht einsam fühlte, was man ihrer Art des Webens erkennen konnte, bekam die Dickhäuterin Ende November Gesellschaft von zwei anderen Elefantendamen. Wie es ihre Art ist, hat sie gleich gezeigt, wer von ihnen das Sagen hat: Mala Tausendschön.
Doch so weit sie auch weg sein mag, ist sie präsenter denn je. Im Pairi Daiza sind Malas Qualitäten erkannt worden und sie wird so gefördert und gefordert, wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Denn sie ist eine der klügsten Elefantenkühe, die es in Europa gibt.
Wie Jenny ist mir Mala sehr ans Herz gewachsen, und so mußten Elefanten eine besondere Rolle spielen. Noch heute sind sie im Logo des Tierpark Hagenbeck zu finden. Hagenbeck ohne Elefanten ist undenkbar, wie auch Hagenbeck ohne Mala. Doch dieser Tag ist leider gekommen. Das Gehege, wo Mala zwanzig Jahre zu Hause war, ist verwaist. Mit dem Weggang der Elefantin hat Hagenbeck seinen größten Star verloren. Vielleicht werden sie dies eines Tages erkennen, aber dann wird es zu spät sein. Doch mit diesem Roman wird Mala auf ewig weiterleben.
Bereits nach der Eröffnung des Tierparks am 07. Mai 1907 wurde er genutzt, um Dokumentationen oder Wochenschau-Berichte zu drehen. Nachdem der Stummfilm immer populärer und die Filme abendfüllender wurden, wurde der Tierpark nun auch dazu genutzt. Die exotische Kulisse bot sich dazu einfach an.
Im 1912 gedrehten Film Die lebende Brücke wurde tatsächlich, wie im Roman geschildert, ein Bär vor laufender Kamera erschossen. Nicht nur heute würde es zu einem Aufruhr der Empörung in der Öffentlichkeit kommen, auch damals ist dies geschehen.
Ein Fragment des Films Die lebende Brücke befindet sich im Deutschen Film-Institut (DFI). Die Glückspilze hingegen gilt als verschollen und sehr wahrscheinlich als verloren.
Filmarchive, wie es sie heute gibt, hat es vor hundert Jahren nicht gegeben. Einige Regisseure wie Georges Méliès oder Filmgesellschaften lagerten ihre Filmrollen ein. Doch waren sie nicht sicher. Es konnte zu Bränden kommen oder die Rollen wurden bewußt zerstört, wie Georges Méliès es tat, als er Konkurs ging. Zu Beginn der Tonfilmära wurden die Stummfilmrollen ebenfalls vernichtet. Einerseits wollten die Produktionsfirmen Platz im eigenen Archiv schaffen, während sie andererseits annahmen, niemand würde sich nun im Zeitalter des Tonfilms mehr für Stummfilme interessieren. So wurden einzigartige Schätze der Filmwelt zerstört.
Des Weiteren ist die Filmrolle selbst ein Problem. Die Rolle ist nicht nur leicht entflammbar, sondern fängt auch mit der Zeit zu „schwitzen“ an. Schließlich verklebt sie, verfärbt sich und ist vollkommen zerstört.
So kann es sein, daß in irgendeinem Archiv noch Rollen mit den Filmen Die lebende Brücke und Die Glückspilze liegen. Doch der Zahn der Zeit nagt an ihnen. So viele Filme liegen noch unentdeckt in den Archiven in aller Welt. So viele, daß wir sie in hundert Jahren nicht durchsehen und retten können.
1919 begann dann das große Zeitalter des Filmdrehs in Hagenbeck. Unter der Regie von Fritz Lang wurden die beiden Filme Der goldene See und Das Brillantenschiff der Abenteuerserie Die Spinnen gedreht sowie das japanische Drama Harakiri. Die für die Streifen verantwortliche Produktionsfirma Decla hatte vorgehabt, neben dem Gelände des Tierparks ein Filmatelier zu errichten. Es waren in der Lichtbildbühne bereits Mitarbeiter für den Standort gesucht worden, als die Decla um die Jahreswende 1919/20 mit der Bioscop AG zur Decla-Bioscop fusionierte. Sie nutzten nun die vorhandenen Bioscop-Ateliers in Neubabelsberg, damit waren die Filmateliers in Stellingen Geschichte.
Wie Erich Pommer mit der Decla auf den Tierpark Hagenbeck als Drehobjekt aufmerksam wurde, ist nicht bekannt. Ich gab hierfür an, dass bereits im Jahr 1918 im Tierpark ein Film unter der Regie von Otto Rippert gedreht werden sollte. Hierbei handelte es sich um Madame Butterfly, der ein Jahr später unter dem Titel Harakiri mit Fritz Lang als Regisseur gedreht wurde. Wenige Monate zuvor hatte es in einer Ankündigung geheißen, daß Josef Coenen Regie führen würde. Warum Coenen aus dem Projekt ausstieg, ob im Jahr 1918 bereits Szenen des Films gedreht wurden und ob Hagenbeck wirklich als Drehort vorgesehen war, wie ich es anklingen lasse, darüber ist nie etwas verlautbart worden, man kann nur Vermutungen anstellen.
Für die Ausstattung der Requisiten der Filme war Heinrich Umlauff, der Direktor des ethnologischen Museums verpflichtet worden. Er zeichnete sich auch für die naturgetreuen Ausstattungen der Völkerschauen verantwortlich. So waren nach seiner Anleitung die Abu Simbel-Statuen zur Völkerschau Am Nil entstanden.
Die Völkerschau Am Nil wählte ich aus, da ich über sie einige Informationen zusammentragen konnte, auch wenn ich nicht genau benennen kann, wann genau sie im Jahre 1912 stattgefunden hat oder wie lange sie dauerte. Mir ist nur bekannt, daß sie im Sommer des Jahres, um die Monate Juli und August herum, stattgefunden hat, das aus einem Zeitungsausschnitt über die Dreharbeiten der Gebrüder Wolf zu ihrem Film Die Glückspilze hervorgeht.
Als ich begann dieses Buch zu schreiben, waren weder der erste Teil der Romanreihe beendet noch der zweite geschrieben worden. Eigentlich hatte ich den vorliegenden Roman als zweiten Teil geplant, doch während ich daran saß, wurde mir bewußt, daß dies erst der dritte Teil werden würde.
Daß das Eismeer komplett abgerissen und in einem gewaltigen Bau neu erstehen würde, war mir zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen. Doch als ich davon Kenntnis erhielt, baute ich den Abriß als Ausgangspunkt der Handlung des Romans mit ein.
Mit dem Auftauchen Masuts ist geklärt worden, warum Isis in den Träumen während ihrer Ägypten-Reise Hatschepsut bis aufs Haar geglichen hatte.
Ob Hatschepsut wirklich zugunsten ihres Stiefsohns Thutmosis III. abdankte, wissen wir nicht. Nach ihrem 22. Regierungsjahr verschwand sie spurlos, so daß auch angenommen werden kann, daß sie abdankte. Ob sie und Senenmut tatsächlich ein Liebespaar waren, ist bis heute ungewiß. Es gibt Vermutungen, aber keinen eindeutigen Beweis. Auch gibt es keine Erklärung dafür, warum er nach Neferures Tod in Hatschepsuts 16. Regierungsjahr spurlos verschwand.
Ich spann den Faden, daß Senenmut in die Verbannung geschickt wurde, wie ich es schon in einem von Isis‘ Träumen im ersten Band geschildert hatte.
Bei Echnaton griff ich auf die neuesten Erkenntnisse der Gen-Analysen zurück. Das Skelett aus KV55 wird mit Echnaton gleichgesetzt, da die vorhandene DNA darauf schließt, daß dies der Vater von Tutanchamun ist. Nur gibt es einige Ungereimtheiten in der Altersbestimmung, die lange Zeit auf einen Mitte Zwanzigjährigen wies und nun auf einen vierzig Jahre alten Mann schließt. Aufgrund dessen erfand ich einen Zwillingsbruder Echnatons. Da eineiige Zwillinge dieselbe DNA haben, läßt sich nicht erkennen, ob es sich um den Ketzerpharao oder seinen Zwilling handelt.
Ein weiterer Punkt, warum das Skelett aus KV55 Echnaton sein soll, sind zwei Zauberziegel, die den Thronnamen des verfemten Pharaos nennen.
Die Theorie, ob Nofretete tatsächlich als Semenchkare den Horus-Thron bestieg, ist bis heute unter den Ägyptologen umstritten. Es mag einige Hinweise darauf geben, daß Nofretete tatsächlich dieser geheimnisvolle unbekannte Pharao war. Doch beruhen auch diese auf Spekulationen.
Da ist einmal derselbe Eigenname, den beide tragen: Neferneferuaton, schön sind die Schönheiten des Aton. Dies wird häufig als Beweis erwähnt. Zudem trug die schöne Königin vom Nil die Atef-Krone, wie es zuvor nur Hatschepsut tat.
Der britische Ägyptologe Cyril Aldred hatte herausgefunden, daß im Amarna-Kunststil zwischen Frauen und Männern unterschieden wurde. Die weiblichen Darstellungen hatten einen konvexen Nacken, während er bei den männlichen konkav gewesen ist.
Nofretete und Semenchkare werden beide mit einem konvexen, weiblichen Nacken abgebildet.
Als weiteres Indiz für die Theorie gilt, daß der unbekannte Pharao in seinem Namen die Beiworte trägt: geliebt von Warenre. Dies ist ein Bestandteil von Echnatons Thronnamen.
Ob Nofretete tatsächlich Semenchkare war, können die Ägyptologen bis heute nicht sagen, auch wenn es einige Punkte gibt, die dafür sprechen.
Sicher ist allerdings, daß die Schöne vom Nil nicht nach Echnatons 12. oder 14. Regierungsjahr spurlos verschwand. Im Dezember 2012 gaben Wissenschaftler der niederländischen Katholischen Universität Leuven in Belgien bekannt, daß sie zu Beginn des Jahres in einem Steinbruch nahe Achet-Aton eine Inschrift entdeckt hätten, die Nofretete in Echnatons 16. Regierungsjahr nennt.
Möglich, daß Nofretete ihren Gemahl überlebte.
Ob es sich bei Echnaton und Nofretete tatsächlich um Geschwister gehandelt haben, läßt sich beim heutigen Stand der Forschung nicht beweisen. Zwar fand man heraus, daß die Younger Lady und das Skelett aus KV55 die Eltern von Tutanchamun sind. Es gibt allerdings kein verwertbares Vergleichsmaterial von den sechs Töchtern Echnaton und Nofretetes, das unter anderem Meritaton, Maketaton und Anchesenamun sind.

Der Elefantendompteur Mathias Walter, Heinrich Umlauff, Carl Hagenbeck, Fritz Lang, Friedrich Müller, Charles Paulus, Siegward Gruner, Margot Petersen und die Gebrüder Wolf haben wirklich gelebt. Alle anderen Personen wurden von mir erdacht und zum Leben erweckt. Falls sich jemand in einer dieser Personen wieder erkennen sollte, war dies nicht beabsichtigt und ist aus meinem Unterbewußtsein heraus entstanden. Denn alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Die einzige Ähnlichkeit, die beabsichtigt ist, ist die von Bertha und Mala. Indem ich Pascals Dickhäuterin die Eigenschaft gab, Fragen mit Ja und Nein zu beantworten, konnte es kein anderer Elefant als Mala sein, auch wenn Bertha, wie bereits erwähnt, noch Eigenheiten anderer Elefanten hat. Auch das Scharren mit dem Fuß, wie ein Stier vor dem Angriff, habe ich von Mala übernommen. Dieses Scharren ist eine Drohung. Die Elefantin wurde im April 2012 wieder einmal recht rüde von Hussein behandelt. Mehrmals scharrte sie mit dem Fuß und trat auch einmal mit dem Hinterfuß aus, als wolle sie ihren Artgenossen in den Graben werfen. Um dieses Vorhaben auszuführen fehlten ihr allerdings noch etliche Zentimeter.
Als Pascal sich von Bertha verabschiedet, warnt er sie, sich nicht böse gegenüber ihren neuen Pflegern zu verhalten, da er nicht möchte, daß sie getötet wird. Der junge Justine benutzt dafür das Wort Electrocution, erwähnt in diesem Zusammenhang Thomas Alva Edision und den Stromkrieg.
Ende des 19. Jahrhunderts verlor Edison mit seinem Gleichstrom gegen George Westinghouse, da dessen Wechselstrom auch über weite Strecken einen geringen Energieverlust bedeutete. Der erfolgsverwöhnte Edison konnte diese Niederlage nicht verwinden, da diese Technik auch von seinem ehemaligen Mitarbeiter Nicola Tesla entwickelt worden war. Deshalb versuchte Edison den Menschen zu zeigen, wie gefährlich Westinghouse‘ Wechselstrom ist. Dazu ließ er Tiere wie Hunde oder Katzen durch Wechselstrom töten und 1903 eben auch einen Elefanten.
Topsy hatte bereits mehrere Menschen auf dem Gewissen. Daß sie diese angegriffen hatte, da die ihr gegenüber sich ungerecht verhalten hatten, wurde hierbei ausgeblendet. So hatte der Pfleger, der ihr dritter „Opfer“ war, sie mit brennenden Zigaretten gefüttert. Doch noch durfte Topsy weiterleben, obwohl sie die damals für einen Elefanten normal angesehene Anzahl der Todesopfer, die sich auf zwei Menschenleben bezog, überschritten hatte.
Da ihr Pfleger auf Coney Island allerdings die meiste Zeit über betrunken war, wurde entschieden, daß Topsy sterben mußte. Man entschied sich, sie zu hängen, dagegen erhob der US-amerikanische Tierschutzverein Einspruch.
Und so kam Edison ins Spiel. Die Edison Company, die New York mit Strom versorgte, wollte die Elektrocution ausführen. Zum damaligen Zeitpunkt befand sie sich nicht mehr im Besitz des Erfinders. Dennoch ließ Edison die Electrocution an der Elefantenkuh filmen, so daß jeder deren Hinrichtung noch heute im Internet ansehen kann. Dazu braucht man auf youtube nur die Suchworte elephant, electrocuting und Topsy eingeben.
George Westinghouse und andere waren über Edisons Methoden empört. Doch der Erfinder ließ sich nicht beirren, sondern ließ sogar zu, daß der Strom auch Menschen töten durfte – der elektrische Stuhl.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es völlig normal, einen Elefanten hinzurichten, wenn er mehrere Menschen getötet hatte und als gefährlich eingestuft wurde. Es war ein großes Spektakel. Oft wurden Elefanten erschossen oder auch gehenkt, was durchaus mal schiefgehen konnte, wie bei Elefantenkuh Mary. Diese brach sich durch einen Sturz, als das Seil riß, das Becken, bevor sie getötet wurde. Insofern schien die Methode der Elektrocution eine kurze Qual bis zum Tod zu sein.
Doch man sollte nie vergessen, daß nicht der Elefant am Ende die Schuld für den Tod eines Menschen trägt, sondern immer nur der Mensch selbst. Durch sein verantwortungsloses Handeln bringt er sich nicht nur in Gefahr, sondern schadet auch dem Elefanten, der das Vertrauen in die Menschen verliert, gefährlich und unberechenbar wird. Solche grauen Riesen zu resozialisieren ist schwierig – aber nicht unmöglich. Es erfordert Geduld und Einfühlungsvermögen, damit der Elefant wieder lernt dem Menschen zu vertrauen.
Wer sich wundert, daß in der Handlung um Pascal Justine immer nur von Stellingen als eigenständigem Dorf gesprochen wird, dem möchte ich an dieser Stelle sagen: Dies ist kein Fehler meinerseits.
Stellingen war ein eigenständiges preußisches Dorf bis es 1928 zur Stadt Altona kam. Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz im Jahr 1937 wurde Altona ein Stadtteil der Hansestadt. Seitdem hat Hamburg auch wieder einen Zoo: den Tierpark Hagenbeck.

5. Kapitel

Stellingen
Stundenlang war die Karawane aus den Männern, Frauen und Kindern durch die Stadt kutschiert wurden. Ihr Weg führte unter anderem in die Großen Bleichen. Diese Straße war nicht grundlos gewählt worden, denn dort befand sich der Redaktionssitz des „Hamburger Fremdenblattes“. Mit eigenen Augen konnten sich Menschen wie Journalisten ein Bild von den ägyptischen Beduinen machen. Ihre Neugier würde entfacht und ein Besuch im Stellinger Tierpark geplant werden. Genau das, was sich der Direktor vorgestellt hatte.
Endlich war die Gruppe Beduinen an ihrem Zielpunkt angelangt. Masut fühlte sich erschöpft, ihm war schwindlig und er hatte Probleme, sich auf den Füßen zu halten. Zudem fror er, obwohl die Sonne vom Himmel schien. Johann hatte ihm von dem relativ gemäßigten Wetter erzählt. Doch das es so schlimm sei, hätte er nicht gedacht. Bibbernd stand er mit den anderen auf dem großen Platz und harrte der Dinge. Niemand wußte, was nun geschehen würde. Johann hatte ihm gesagt, daß  ein Arzt sie untersuchen wolle, ob sie gesund seien. Masuts kleiner Freund fürchtete sich davor untersucht zu werden. Der Arzt würde sofort erkennen, daß er kein Ägypter sei, sondern sich nur verkleidet hatte. Johanns Angst war berechtigt, daß wußte Masut, doch was sollte er tun, damit Johanns Tarnung nicht auffiel?
„Versteck dich.“
Johann sah sich die Umgebung an. Sie standen in der Mitte des Platzes. Schützendes Buschwerk oder ein Gebäude waren zu weit weg, als das er unerkannt sich verstecken konnte.
„Das geht nicht. Man wird mich entdecken.“
Verzweifelt sah der kleine blonde Junge mit dem geschwärzten Gesicht ihn an. Nun lag es an Masut, seinem Freund zu helfen. Doch was sollte er tun? Einen Streit anfangen? Das würde nicht nur die Abneigung der anderen gegen ihn steigern, sondern auch das Mißtrauen der Deutschen wecken. Schlimmstenfalls würden sie ihn wieder nach Hause schicken.
Bevor er weiter über eine Lösung nachdenken konnte, wurde ihm schwarz vor Augen. Alle Kraft wich aus seinen Beinen, er sank auf die Knie und fiel mit dem Gesicht in den Sand. Kurz bevor ihm die Sinne schwanden, merkte er, wie ihm jemand den Krug aus dem Arm nahm. Er wollte sich aufbäumen, die Person festhalten, die ihm das Gefäß nahm. Doch er hatte keine Kraft und versank in einer tiefen Dunkelheit.
„Unserem jungen Freund scheint die Fahrt nicht bekommen zu sein. Sein Kreislauf ist abgesunken. Die Blässe ist trotz seiner dunkleren Hautfarbe zu sehen. Wahrscheinlich wird er zu wenig getrunken haben und ist wegen des Flüssigkeitsmangels ohnmächtig geworden.“
„Also hat er keine ernsthafte Krankheit, Doktor?“ Der Mann wirkte erleichtert, blieb aber weiterhin skeptisch. „Wenn Sie sich täuschen und der Junge eine ansteckende Krankheit hat, wird das für uns alle, besonders für den Tierpark und die Völkerschauen, schwere Konsequenzen haben.“
Der Arzt mußte seine aufsteigende Wut unterdrücken. Wie konnte seine Diagnose von einem Laien angezweifelt werden?
„Ich bin nicht erst seit gestern Mdiziner“, versuchte er gute Miene zum bösen Spiel zu machen. „Wenn er eine ansteckende Krankheit hätte, wäre das sicherlich schon während der Überfahrt aufgefallen, da er alle anderen, samt der Schiffsbesatzung angesteckt hätte. Hat die Schiffsbesatzung über irgendwelche Krankheitssymptome geklagt? Haben die anderen Ägypter sich krank gefühlt oder ist jemand von ihnen ernsthaft erkrankt? Ist die Überfahrt anders verlaufen als sonst?“
Der Mann wußte nicht, was er sagen sollte. Kleinlaut blickte er zu Boden.
„Ich habe nicht gefragt. Aber das wäre mir dann auch gesagt worden.“
„Sie sind auf dem Schiff gewesen, also müßte Ihnen aufgefallen sein, wenn eine Krankheit unter den Ägyptern oder der Schiffsbesatzung grassierte. Da Ihnen nichts aufgefallen ist, wie mir scheint, wird niemand ernsthaft erkrankt sein. Der junge Mann hatte einen Schwächeanfall. Es gibt viele, die eine Stunden lange holprige Fahrt nicht vertragen. Er ist kerngesund.“
Der Mann sagte nichts mehr. All seine Zweifel waren von dem Arzt revidiert worden. Der Ägypter schien keine ernsthafte Krankheit zu haben, dennoch sollte er ihn weiter unter Beobachtung stellen. Das ließe sich machen. Er wüßte schon jemanden, der dies für ihn erledigen würde.
„Wenn Sie mich nun meine Arbeit machen lassen. Ich muß mich noch um die restlichen Neuankömmlinge kümmern.“
„Natürlich, Zeit ist kostbar“, sagte der Mann und verließ den Raum.
Masut öffnete langsam die Augen. Wo er war, konnte er nicht sagen, auch nicht, was geschehen war. Als er sich vorsichtig aufrichtete, sah er einen ihm unbekannten Mann und erschrak. Verängstigt sah er den Mann an, zugleich suchte er nach seinem Beutel, wo sich der Familienfluch drin befand.
„Keine Angst, junger Freund, dir geschieht nichts.“ Der Mann sprach langsam, doch Masut konnte ihm nicht folgen. Er hörte harte Silben, die aneinandergereiht eine harmonische Melodie ergaben. Was die  Worte bedeuteten, wußte er nicht, obwohl sie an sein Ohr drangen und er sie kannte. „Du bist ohnmächtig geworden.“
„Meine Sachen“, sagte Masut auf arabisch, das durch den ägyptischen Slang stark verwaschen klang. „Wo sind meine Sachen?“
Der Mann wirkte verwirrt, doch lächelte er weiter.
„Ich verstehe dich nicht, aber du brauchst keine Angst zu haben. Dir wird nichts geschehen.“
Der Arzt hatte schon viele Menschen untersucht, die ihre Heimat verlassen hatten. Sie waren verängstigt und voller Mißtrauen.
Masut war aufgesprungen, durchmaß den Raum und suchte unter der Liege nach dem Krug. Wäre er nicht von dem Arzt festgehalten worden, hätte er sich als nächstes die Schränke vorgenommen. Er hatte die Hand schon am Türknauf gehabt, als ihm der Arm nach hinten gerissen wurde. Er versuchte sich loszureißen, was ihm nicht gelang. Der Arzt war kräftiger als er ausgesehen hatte.
„Es reicht, Bürschchen!“, wurde er angefahren. Das Gesicht, das ihn zuvor noch lächelnd angesehen hatte, war zu einer wütenden Fratze verzerrt. Der Griff um seine Hände lockerte sich, dann wurde er am Kragen gepackt und nach draußen geschleift. „Ich habe doch gesagt, daß du vollkommen gesund bist. Das man mit euch immer solchen Ärger haben muß“, hörte er noch, bevor er zu Boden fiel und sein Gesicht hart auf dem Boden aufkam.
Langsam hob er seinen Kopf, spuckte die Erde aus, die in seinen Mund gekommen war und knirschende Geräusche von sich gab, wenn er die Zähne aufeinander biß. Niemand eilte zu Masut, um ihm aufzuhelfen. Mühsam richtete er sich allein auf und rieb sich seine schmerzenden Knie. Seine Hände hatte er sich aufgeschürft, doch die Schmerzen spürte er nicht. Als er aufsah, konnte er niemanden entdecken. Vollkommen allein stand er auf dem Platz. Wo waren die anderen? Hatte man sie fortgeführt und ihn vergessen? Ihn bei diesem Mann gelassen und seinen Krug und die Kette mitgenommen? Sie wußten nicht, was sie damit getan hatten. Der Hauch des Todes hing über ihnen. Und wo war Johann? War er mit den anderen gegangen oder hatte er sich unentdeckt entfernen können?
Aufgeschreckt fuhr er herum, als er es im Gebüsch rascheln hörte. Gebannt starrte er auf das Buschwerk. Die Blätter bewegten sich, Äste wurden auseinander geschoben und Johann trat aus dem Gebüsch. Lachend sah er Masut an, der wie angewurzelt ihn anstarrte und sich nicht von der Stelle bewegte.
„Damit hast du nicht gerechnet. Als du umgefallen bist, habe ich den Moment der Verwirrung genutzt und bin im Gebüsch verschwunden.
„Die anderen?“, fragte Masut, der noch nicht ganz realisieren konnte, was geschehen war.
„Die wurden auf die andere Seite des Hauses gebracht. Dort sollen sie untersucht werden und kommen dann wieder her, wenn sie gesund sind. Aber die sehen recht gesund aus.“ Johann schwieg. Dann sah er Masut an, als wolle er ihn etwas fragen, doch traue er sich nicht. Betreten sah er zu Boden, zeichnete mit seinen Schuhen ein Muster in die fest getrampelte Erde, indem er die Oberfläche aufraute. „Hast du nicht das getan, was von dir verlangt wurde oder warum hat der Arzt dich so vor die Tür gesetzt?“
Masut konnte seinem Freund nicht ganz folgen, verstand nicht jedes Wort, aber den ungefähren Sinn der Frage.
„Die haben mir den Sack abgenommen. Den suchte ich. Schien dem Arzt nicht zu gefallen. Er wurde wütend.“
Johanns Gesicht erhellte sich und er ging zum Gebüsch zurück. Masut sah ihm sprachlos zu und runzelte die Stirn, als Johann kurz im Gebüsch verschwand und anschließend mit seinem Beutel, den er wie seinen Augapfel während der Überfahrt gehütet hatte, in der Hand zurück kam.
„Meinst du den?“ Ohne ein Wort zu sagen, riß Masut ihm den Beutel aus der Hand und sah sich den Inhalt an. Die Kette hing noch am Henkel des Kruges und der Wachspfrofen schien unversehrt. „Hättest dich wenigstens bedanken können“, sagte Johann vorwurfsvoll. Masut hob kurz den Kopf, sah sich dann wieder den Krug an. „Keine Angst, es ist alles noch so, wie es war. Es fehlt nichts und ich habe auch nicht angefaßt. Ich weiß nicht einmal, was du da drin hast. Nur das es etwas Schweres ist.“
„Später sage ich es dir, nicht heute. Ist eine lange Geschichte.“
„Was hat keine Geschichte?“, sagte Masuts Freund mehr zu sich selbst und wurde traurig. „Selbst ich habe in meinem jungen Leben schon eine Geschichte zu erzählen. Doch ich will sie nicht erzählen, nur vergessen.“ Er wollte nicht daran denken, den Teil seines jungen Lebens vergessen, doch er konnte es nicht. Selbst jetzt nicht, wo ein neuer Abschnitt begonnen hatte, mußte er noch daran denken. Es war ein Teil seines Lebens und würde es immer bleiben, auch wenn er versuchte zu vergessen.
„Irgendwann zeige ich dir, was ich hier habe. Jetzt ist es zu früh.“
Masuts Worte machten Johann neugierig und er versuchte zu erfahren, was es mit dem Gegenstand im Beutel auf sich hatte.
„Hast du den Familienschatz mitgenommen, um dich damit abzusetzen?“
„Nein!“, sagte Masut und Johann merkte an seiner ablehnenden Antwort, das er nicht weiter über das Thema sprechen wollte.
Die Tür des Hauses öffnete sich und bevor Johann weiter darüber nachdachte, wurde er von Masut zurück ins Gebüsch geworfen. Die scharfen Äste zerkratzten sein Gesicht und die Hände. Von seinem Versteck aus beobachtete er, wie die ersten Ägypter aus dem Haus traten.

1. Kapitel

Nordsee, 1912
Das Schiff schaukelte stark. Masut saß unter Deck und umklammerte einen mit Stoff verhüllten Gegenstand. Weiß war der Stoff einmal gewesen, nun hatte er sich durch die lange Reise gräulich verfärbt. Nie gab er den Gegenstand aus der Hand oder ließ ihn unbeobachtet liegen. Von den anderen wurde er wegen seines seltsamen Verhaltens ausgelacht, verspottet oder einfach nur schief angesehen. Ihn störte es nicht weiter, sollten die anderen ihn für verrückt halten, er würde seine Aufgabe erfüllen.
Seine Familie war durch den Gegenstand, den er wie seinen Augapfel hütete, in ständiger Todesgefahr. Immer wieder waren Mitglieder seiner Familie bedroht und ermordet worden. Dies begann, als seine Vorfahren in den Besitz dieses Gegenstandes gelangten.
Es war nach Ende der Regierungszeit Echnatons, des verfemten Pharaos, gewesen. Seine Vorfahren hatten zum königlichen Kreis in Achet Aton gehört. Erst als Leibdiener, später als Berater des Pharaos. Für jemanden, der seine wahre Herkunft verleugnen mußte und ausgab, aus dem niederen Stand der Fellachen zu stammen, einer Bevölkerungsschicht, die zu Zeiten der Pharaonen zu allerlei Frondiensten herangezogen wurden, war dies ein großes Privileg gewesen. Sein Vater hatte ihn auf die Schreibschule geschickt, wo man sein Talent und Geschick erkannt hatte. Und so war er an den Hof des Pharaos zurückgekehrt, den Ort, an dem seine Vorfahren gelebt und geherrscht hatten.
Masuts Vorfahr hatte die Zeit des verfemten Pharaos miterlebt und nach dem Tode Echnatons und seiner nächsten Angehörigen seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. Allerdings wurde er schon bald danach bedroht, ein Mordanschlag auf ihn verübt, dem er nur mit Glück entkommen konnte. Als er seine Lebensgeschichte am Hofe des verfemten Pharaos beendet hatte, traten Ereignisse ein, die ihn zwangen,  Hals über Kopf aus Achet Aton zu fliehen. Die Rollen hatte er in ein Gefäß gesteckt und versiegelt, daß jeder denken sollte, es handle sich um einen Weinkrug. Doch ganz egal, wohin er ging, die Schergen des neuen Pharaos spürten ihn immer wieder auf, nirgendwo war er sicher. Als er eine Frau kennen lernte und mit ihr eine Familie gründete, fertigte er eine Abschrift der Rollen an und übergab sie seinen Verfolgern. Er hoffte, seine Verfolger würden von ihm ablassen und sein Leben und das seiner Familie verschonen.
Von da an hatte er Ruhe und mußte nicht mehr um sein Leben fürchten, bis zu dem Tag, an dem er seinem ältesten Sohn einen Ring, eine Kette und die Originalrollen übergab. Wieder wurde er bedroht und verfolgt. Die lange Zeit der Ruhe und der Sicherheit war trügerisch gewesen und nun endgültig vorbei.
Es begann von Neuem. Doch er war des Kämpfens müde, wollte nicht mehr fliehen und sich nirgendwo sicher fühlen. Er ließ sich im Nildelta nieder und wartete auf seinen Tod, der ihn schneller ereilte, als er es vermutet hatte. Seine Nachfahren, die Vorfahren Masuts, gaben das Geheimnis der Rollen an ihren jeweils ältesten Sohn weiter, der die Rollen schützen und bewachen sollte. Viele gaben ihr Leben für die Rollen, selbst als das Pharaonenreich zusammenbrach und Ägypten römische Provinz wurde, war seine Familie nicht sicher. Die Rollen bestimmten maßgeblich das Leben seiner Familie.
Lange Zeit war nichts geschehen, doch als sein Vater und seine ältereren Brüder kurz hintereinander starben, war Masut entschlossen, die Rollen außer Landes zu bringen, an einen Ort, wo niemand die Wahrheit erfahren könnte. Doch nicht nur von den Rollen ging eine Gefahr aus, sondern auch von der Kette, von der die Legende sagte, daß Nofretete, die Gemahlin des verfemten Pharaos, sie Masuts Vorfahren übergeben hätte. Die Kette durfte nicht getragen werden. Wer sie trug, war innerhalb weniger Tage oder Wochen tot.
Über lange Zeit, war sich der junge Ägypter nicht im Klaren darüber, wie er die verfluchten Gegenstände außer Landes bringen sollte. Die Gelegenheit dazu ergab sich schon sehr bald. Als fremde Männer in sein Dorf kamen und von einem fernen Land sprachen, daß die Lebensweise seines Volkes kennen lernen wollte, bemühte er sich, in die Gruppe zu gelangen, um die Rollen, die das Leben seiner Familie bedrohten, für immer verschwinden zu lassen.
Noch während er sich von seiner Familie verabschiedete und schließlich das Schiff bestieg, das ihn und seine Mitstreiter nach Deutschland bringen sollten, wußte er, daß er nie mehr wiederkehren würde.
Völkerausstellungen nannte sich, wofür er sich gemeldet hatte. Einige Menschen eines Volkes kamen in einen Zoo, wo sie in einer möglichst naturgetreuen Umgebung den dortigen Menschen ihr Stammesleben näherbringen sollten. Oft waren diese Menschen nur Angaffungsobjekte der Besucher, die oft nicht die eigenen Landesgrenzen verließen, wenn sie überhaupt aus der Stadt oder dem Dorf rauskamen.
Masut fürchtete sich vor der großen Reise. Seine Familie hatte er zurückgelassen und machte sich nun allein auf eine Fahrt ins Unbekannte. Andererseits war er unglaublich erleichtert darüber, daß niemand ihn zu verfolgen schien. Es mußte ihm gelungen sein, die Verfolger abzuschütteln. Wahrscheinlich vermuteten sie die Gegenstände noch bei seiner Familie.
Seine Reisegefährten mieden ihn, wenn sie ihn nicht gerade verspotteten. Sie hatten ihn nicht dabei haben wollen, da er ihnen nur Unglück brächte. Das Schicksal seiner Familie war ihnen allen bekannt, schließlich kam es nicht häufig vor, daß jemand ermordet wurde. Das dies in einer Familie der Normalfall war, konnte nichts Gutes bedeuten. Sie mußten den Gott der Wüste, Seth, erzürnt haben. Auch wenn das Christentum und der Islam den heidnischen Götterglauben abgelöst hatten, glaubte man dennoch, daß Seth, der Gott des Bösen, sich gegen die Familie gewandt hatte. Aus diesem Grund hatte der Urururgroßvater Masuts den Rollen die Bezeichnung Die Rollen des Seth gegeben.
Das Amulett des Todes hatte Masut an den Henkel des Kruges befestigt. Er traute sich nicht, die Kette mit den Rollen zusammenzubringen, obwohl er nicht daran glaubte, daß unglückbringende Gegenstände zusammen noch größeres Unglück brächten.
Wasser drang ein und ließ Masut aus seinen Gedanken aufschrecken. Sollte er hier sterben? Während eines Sturms mit dem Schiff untergehen? War seine Stunde bereits gekommen? Sollte er die Rollen über Bord werfen und hoffen, daß der Tonkrug untergehen würde?
„Hast du nicht verstanden?“ Ein Mann faßte ihn grob am Arm. „Wasser schöpfen! Verstanden?“ Der Mann mit Vollbart und der knurrigen Stimme drückte ihm eine Schüssel in die Hand und schubste ihn, daß Masut beinahe hinfiel und sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. „Schöpfen!“, schrie der Mann ihn an und wies auf die Wasserlachen am Boden. Masut nickte und machte sich an die Arbeit.
Er verstand die Sprache der Weißen ein wenig. Nachdem er aufs Schiff gekommen war, hatte er sich mit einem kleinen Jungen, einige Jahre jünger als er, angefreundet, der auf dem Schiff arbeitete und von den Matrosen schlecht behandelt wurde. Dankbar für sein freundliches Auftreten, brachte der Junge ihm die deutsche Sprache bei, im Gegenzug versuchte Masut dem Jungen, der auf den Namen Johann hörte, ein wenig das Arabische beizubringen. Masut war ein gelehriger Schüler und ihm fiel es leicht, die Sprache zu erlernen, nur einige Laute, die Johann als Umlaute bezeichnete, machten ihm Schwierigkeiten. Lange blieb nicht verborgen, daß Masut Deutsch verstand, so daß er als Übersetzer für seine Landsleute fungieren sollte. Die waren von der Idee nicht sehr begeistert und reagierten mit Ablehnung, doch ihnen blieb keine andere Wahl als den Bestimmungen der weißen Männer zu folgen. Diese Entscheidung verbesserte Masuts Rang innerhalb seiner Landsleute keineswegs. Stattdessen wurde er nur noch mehr gemieden, doch ihn störte es nicht. Sollten sie ihn nur in Ruhe lassen, dann würden sie sich auch nicht für den Inhalt des Gegenstandes interessieren, den er immer bei sich trug.
Wieder schien Licht durch die Öffnung der Luke. Als Masut hochsah, entdeckte er einen Kopf mit blondem Haar.
„Morgen oder übermorgen sind wir da“. Johann stieg die Leiter herunter, sein Gesicht wirkte traurig, das konnte Masut trotz des dämmrigen Lichts erkennen. „Dann sehen wir uns nie wieder“.
Traurig umarmte Johann den jungen Ägypter. Dieser tätschelte ihm hilflos den Kopf, wußte nicht, wie er seinen Freund aufheitern sollte. Nie hatte er sich während der Überfahrt Gedanken gemacht, daß der Junge in ihm einen Freund sah, den er durch das Ende der Überfahrt nun verlor.
Johann hatte seine Eltern verloren, als er sieben war und zu einer Tante gekommen, die ihn schnellstens wieder loswerden sollte. Mit zehn Jahren hatte sie ihn an den Kapitän dieses Schiffes verkauft, wo er seitdem jeden Tag bis zur Erschöpfung arbeitete und der Spielball der Matrosen war. Es mußte ein furchtbares Leben sein. Obwohl Masut nur wenig mitbekommen hatte, war ihm nicht entgangen, daß Johann nicht glücklich mit seinem Leben war.
„Komm mit“, kam es aus Masuts Mund, bevor er über die Worte nachdenken konnte. Johanns Augen wurden groß und größer vor Verwunderung, dann lächelte er.
„Meinst du wirklich? Ich soll euch begleiten?“ Sein Lachen verschwand so schnell, wie es auf sein Gesicht gekommen war, dann wandte er sich traurig ab. „Es geht nicht. Ich sehe völlig anders aus.“
Der Ägypter legte seinem Freund mitfühlend eine Hand auf die Schulter. Er mußte seinem Freund helfen, wenn er ihn nicht enttäuschen wollte. Er spürte die Traurigkeit, die sein Gegenüber erfaßt hatte. Wie sollte er ihm helfen? Er trat einen Schritt zurück und betrachtete Johann. Der Junge war von schmaler Statur, hatte strohblonde Haare und eine helle Haut. Ein schwarzer Strich ging über sein Gesicht. Mit dieser blassen Haut würde Johann nie mit ihnen kommen können. Doch so schnell gab Masut nicht auf. Wenn sein Freund mit ihm kommen wollte, sollte es nicht an seinem Aussehen scheitern. Noch einmal betrachtete er Johann. Die Farbe seiner Haut mußte dunkler werden, daran bestand kein Zweifel. Der dunkle Strich, der Johanns Gesicht durchzog, fiel ihm ins Auge. Er strich über den dunklen Fleck und sah sich seinen Finger an. Dunkler Staub haftete an diesem, den er nun verrieb bis er verschwunden war.
„Was ist das?“, fragte er, da er keine Vorstellung davon hatte, wie Johann unauffällig das Schiff verlassen konnte. Der dunkle Fleck hatte aber eine Gedanken in seinem Kopf ausgelöst, der langsam zu einer Idee heranreifte.
„Kohlenstaub. Ich mußte Kohle schippen, damit der Kapitän es warm hat in seiner Kajüte. Ihr natürlich auch. Warum fragst du?“
„Mir ist eine Idee gekommen. Du wirst mit mir das Schiff verlassen, wie ich gesagt habe“.
„Und wie? Sag’s mir!“
Johann hatte den Arm seines Freundes ergriffen und drückte und zog ihn ungeduldig, das Masut schmerzhaft das Gesicht verzog. Er nahm es dem Blondschopf nicht übel. Er wußte, welche Erleichterung es für Johann sein würde, endlich das Schiff verlassen zu können.
„Du wirst dich einreiben – mit Kohle.“
Ungläubig starrte Johann ihn an. Wie sollte das gehen? Kohle hielt nicht ewig auf der Haut. Es müßte immer erneuert werden. Und was sollte geschehen, wenn die Gruppe wieder in die Heimat reisen würde? Er konnte doch nicht mit nach Ägypten. Dort gehörte er nicht hin, aber auf dieses Schiff gehörte er noch weniger.
„Wie soll das gehen? Wenn ich euch begleiten soll, muß ich mich immer wieder mit Kohle einreiben. Wie willst du diese Kohle mitnehmen, ohne daß es auffällt? Wie falle ich nicht auf? Die anderen werden doch merken, daß ich nicht zu euch gehöre. Das ist absolut unmöglich. Es geht nicht.“
Masut mußte lachen. Johann machte sich viel zu viele Gedanken. Er hatte nicht alles verstanden, was sein Freund ihm gesagt hatte, aber all diese Sorgen brauchte er sich nicht zu machen. Er sollte die Dinge auf sich zukommen lassen, dann würde man sehen. Entdeckt würde Johann sicherlich, aber er war erst einmal von dem Schiff runter, wo er sich nicht wohl fühlte.
„Warte ab. Die Zeit wird es zeigen. Dein Schicksal wird dich führen.“
„Schicksal?“ Johann war sprachlos. An so etwas wie Schicksal glaubte er nicht. Seit dem Tod seiner Eltern war all das Unglück über ihn hereingebrochen, wie er es sich in seinem noch jungen Leben nicht hatte vorstellen können. Doch was sollte er erwarten? Schlimmer als sein bisheriges Leben konnte es nicht werden.
„Schicksal, genau. Es hat gewollt, daß wir uns treffen. Es wird dafür sorgen, daß du mit mir kommst.“ Masut spürte, daß Johann nicht ganz überzeugt war. Die Idee schien ihm zu gefallen, doch er wußte nicht, was ihn erwartete, was aus ihm würde, wenn diese Völkerschau vorüber war. Dies wußte Masut selbst nicht, dennoch wollte er Johann nicht entmutigen. „Du wirst sehen, es wird alles gut werden.“
Johanns Augen begannen zu leuchten. Endlich war der Augenblick gekommen, wo er dieses Schiff verlassen konnte. Seitdem im April die Titanic, die als das modernste Schiff ihrer Zeit galt, mit einem Eisberg kollidiert und gesunken war, obwohl sie als unsinkbar galt, hatte Johann bei jeder Fahrt Angst, daß etwas passieren könnte. Was ihn noch erwarten würde, darüber machte er sich keine Gedanken. Er war beseelt von dem Gedanken mit seinem neuen Freund gemeinsam das Schiff zu verlassen.
„Dann hole ich die Kohle. Um diese Zeit haben alle mit sich zu tun, und das Vorratslager wird erst am Ende der Reise überprüft. Es wird niemandem auffallen, daß ein paar Stücke fehlen.“
Schnell rannte er zur Luke, sah sich noch einmal kurz um und verschwand in einem hellen Loch.
Masut blieb allein zurück, ganz allein war er nicht, seine Dorfnachbarn befanden sich am Ende des Raums und unterhielten sich angeregt. Als er sich mit Johann unterhalten hatte, war er von den anderen argwöhnisch beäugt worden. Glücklicherweise hatten sie nicht verstanden, worüber sie sich unterhalten hatten. Dazu hätten sie der Sprache mächtig sein müssen und das waren sie nicht. Verstanden allenfalls einige Wörter, doch einem Gespräch konnten sie nicht folgen. Aber es würde schwierig werden, Johann als einen der ihren auszugeben. Sie würden ihn nicht akzeptieren, ihn eventuell sogar auszuliefern. Dies mußte er verhindern und dazu würde ihm der Unheilsbringer in seiner Hand helfen.